Heute schon die erste Tasse Kaffee getrunken? Falls ja, bleibt es wohl nicht die letzte: In Deutschland werden durchschnittlich vier Tassen pro Tag konsumiert. Doch das könnte sich bald ändern. Die Gründe dafür fassen die aktuelle Weltlage wie in einem Brennglas zusammen.

Die Rohkaffeepreise stiegen bereits letztes Jahr um 70 %, für dieses Jahr wird ein weiterer Anstieg von bis zu 30 % erwartet – der höchste Preis seit 45 Jahren.


„Ab April, Mai und Juni werden die Preissteigerungen umgesetzt.“

– Fendrich-Sander, „Head of Coffee“ bei der Rösterei Coffee Circle, SWR, 12.2.2025

Warum ist das so? Die Kaffeeproduktion basiert auf globaler Arbeitsteilung und Monokulturen – direkte Folgen des Kolonialismus. Kaffeeanbauregionen sind in einem neokolonialen Abhängigkeitsverhältnis zu den Unternehmen, die den Weltmarkt dominieren.

Drei Faktoren treiben die Preise in die Höhe:

1. Klimakatastrophe: Arabica- und Robusta-Bohnen sind empfindlich. Hitzewellen in Brasilien und Überschwemmungen in Vietnam vernichten die Ernten. Studien prognostizieren, dass bis 2050 die Anbaugebiete um die Hälfte schrumpfen könnten.

2. Das Ende der US-Hegemonie: Mit Indien und China als imperialistische Globalmächte explodiert die Nachfrage nach Kaffee aktuell. Dazu kaufen US-Kaffee-Hersteller die Lager leer, auf Grund der von Trump angekündigten Zölle. Längere Transportwege auf Grund von Kriegen rund um das Rote Meer erhöhen die Kosten.

3. Spekulation: An den Börsen herrscht Goldgräberstimmung, was die Preise weiter steigen lässt.

Eine reformistische Lösung ist nicht in Sicht. Fair Trade bleibt eine Nischenlösung für die, die sie sich leisten können und ändert nichts grundsätzlich. Unternehmen setzen auf widerstandsfähigere Züchtungen.

Ein Blick in die Geschichte zeigt: 1977 führte die sog. Kaffeekrise in DDR zu einer schweren Legitimationskrise. Viele Historiker*innen sehen in ihr eine zentrale Voraussetzung für die späteren Massenproteste.


„Die DDR sei inzwischen wieder soweit, dass Arbeiter und Rentner Bettelbriefe in die BRD schicken müssten, um zu Kaffee oder anderen auserlesenen Produkten zu gelangen.“

„Hinweise auf Tendenzen der Unzufriedenheit in der Reaktion der Bevölkerung der DDR“, Bericht O/49 der Staatssicherheit vom 12. September 1977

Ob es diesmal ähnlich kommt? Ungewiss. Aber sicher ist: Ein wirklich guter Morgenkaffee für alle ist im Kapitalismus nicht zu haben.


Du willst mehr wissen über den Zusammenhang von Legitimationskrisen und Revolten? Dann haben wir hier einen Lesetipp für dich: Die Logik der Revolten Studien zur Sozialgeschichte 1789-1848, Ahlrich Meyer, 1999, Schwarze Risse Rote Strasse VLA

Einen Einstieg in das Thema „Kaffeekrise“ bietet folgender, wenn auch analytisch begrenzter, Text von Volker Wünderich in Historische Anthropologie 11 (2003): „Die „Kaffeekrise“ von 1977 Genussmittel und Verbraucherprotest in der DDR“