Kurz vor der Bundestagswahl spitzt sich die Debatte um das Abtreibungsrecht zu: CDU, AfD und FDP blockieren dessen an sich überfällige Reform. Dabei reicht diese Auseinandersetzung eigentlich weit über das bloße Thema hinaus. Sie ist ein Spiegelbild der aktuellen wirtschaftlichen Krise, der daraus folgenden sozialen Unsicherheiten und der verschiedenen, miteinander konkurrierenden politischen Konzepte, die alles im Interesse des Standorts zu bewältigen versuchen.

Während progressive Stimmen für die Abschaffung von § 218 StGB und eine Entkriminalisierung von Abtreibungen eintreten, stehen rechtskonservative Kräfte dem gegenüber. Doch ihre Blockade ist mehr als nur eine moralische Haltung – sie ist auch Ausdruck eines Krisenmanagements, das versucht, Frauen in immer stärkere Abhängigkeiten zu drängen. In Zeiten eines Weltmarktes, der in seiner bisherigen Form auseinanderbricht, erscheint ihnen die heteronormative Kleinfamilie als sichere Burg der Nation.

Dagegen ist die Forderung nach Abschaffung des § 218 StGB und nach mehr Wahlfreiheit im Abtreibungsrecht richtig. Aber auch diese Freiheit ist trügerisch: Gesundheitsversorgung und – viel zu oft – auch Kindererziehung sind entweder kommerzialisiert oder privatisiert. In einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft bedeutet dies die Freiheit, entweder andere gegen Geld diese Arbeit verrichten zu lassen oder sie selbst zu schultern. Diejenigen, die sie dann schultern, sind – und das ist im Patriarchat kein Zufall – meist Frauen. Freiheit unter den Bedingungen sozialer Ungleichheit ist aber keine.

Der Zugang zu sicheren und kostenfreien Abtreibungen ist deswegen nicht nur eine Frage der Gesetzgebung, sondern auch eine der sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen – des Kapitalismus. Umso mehr, als sich im Wahlkampf fast alle Parteien in der Notwendigkeit des Sozialabbaus einig sind. Die Kämpfe gegen § 218 StGB, gegen Sozialabbau und gegen miese Arbeitsverhältnisse gehören deswegen zusammen. Sie sind ein untrennbarer Teil des Kampfs gegen den Rechtsruck.

Eine echte Wahlfreiheit ist aber nur jenseits von Staat, Nation, Patriarchat und Kapital zu haben.