Folgenden Redebeitrag haben wir am 06. Februar 2021 auf der Kundgebung gegen Polizeigewalt und Solidarität – nicht nur – in der Corona-Krise gehalten:

The Good, the Bad, the Ugly – Antifaschismus im Seuchenstaat

Am 05.12.2020 hatten sich die sogenannten „Querdenker“ wieder einmal in Bremen angekündigt. Mobilisiert wurde bundesweit, 20.000 Teilnehmenden waren angekündigt. Es sollten jedoch weitaus weniger werden, vor allem wegen eines in letzter Instanz verhängten Versammlungsverbots. Um sicherzugehen, dass es an diesem Tag auch wirklich zu keinem unerlaubten Protest kommen kann, hatte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer besonders groß auffahren lassen: Wasserwerfer, Hubschrauber, meterweise Hamburger Gitter sowie zahlreiche Polizeibereitschaften und BFE Einheiten aus mehreren Bundesländern… viele von euch werden sich erinnern. Womit wir auch schon beim eigentlichen Thema wären.


Denn über die sogenannten Querdenker*innen, die wir auch in Bremen seit Frühjahr letzten Jahres zusammen mit anderen Antifaschist*innen immer wieder kritisch begleitet, gestört und gehindert haben, ist längst alles gesagt worden: Es handelt sich bei ihnen um eine reaktionäre Melange aus Liberalen, Faschos, Hippies und schwäbischen Kleinfamilien, die im Angesicht der gesellschaftlichen Krise den kapitalistischen Normalzustand vermissen, in dem sie es sich zuvor bequem machten. Doch auch ohne Pandemie ist diese Gesellschaft für viele andere bereits die wahre Hölle auf Erden. Basierend auf kapitalistischer Ausbeutung und strukturiert durch patriarchale Herrschaft spannt sie ein weltweites Band von Armut, Krieg und Elend. Die Freiheit dieser Gesellschaft garantiert nur endlosen Druck für die Masse und vergoldete Scheisse für wenige. Es ist genau dieser Kampf “Aller gegen Alle”, den die vermeintlich Querdenkenden sich nicht nur wünschen sondern noch auf die Spitze treiben wollen. Ihre Freiheit, die sie so sehnlich vermissen, ist das Recht darauf, anderen beliebig weiter zu schaden.


Jede Menge Beifall bekam der größte Polizeieinsatz der Bremer Nachkriegsgeschichte daher vom daheimgebliebenen guten Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft. Denn diese haben die Querdenkerenden als, und das sicherlich nicht zu unrecht, unsolidarischen Teil der Gesellschaft erkannt. Und umso größer war ihre Freude darüber, dass die Stadt Bremen dem Rest der Republik nun vormachen konnte, wie der gesellschaftliche Friede in dieser Gesellschaft im Zweifel eben mit Gewalt durchgesetzt wird; – konsequentes Durchgreifen nennen solche Leute das. An dieser Stelle wollen wir nicht falsch verstanden werden: Unser Mitleid mit den reaktionären Schwurbler*innen hält sich in sehr engen Grenzen. Aber bei so viel demokratischem Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol und seinen brutalen Scherg*innen ist uns schlicht zum Kotzen zumute.


Es wird nur allzu deutlich, wie sehr die bürgerliche Mitte auf die reaktionären Populist*innen angewiesen ist, um sich als das kleinere Übel zu präsentieren. Die reaktionäre Rechte kann derweil gegen die vermeintlichen Volksverräter in Wissenschaft, Medien und Politik wettern. Gut und Böse sind für beide Gruppierungen in der Pandemie klar verteilt, aber so einfach ist es nun einmal nicht. Neben allem möglichen ideologischen Unsinn und dem offenkundigen Antisemitismus der Querdenker*innen ist der politische Eiertanz um aktuelle gesundheitspolitische Maßnahmen dabei nur das beste Beispiel von Vielen. In der Pandemie wird sichtbar, dass der Widerspruch zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und dem Funktionieren der Wirtschaft im Kapitalismus niemals aufgehoben sondern immer nur aufgeschoben werden kann. Genau dieser Interessenausgleich war und ist schon immer die Aufgabe des Staates als ideeller Gesamtkapitalist gewesen. Das derzeitige Ringen um die vermeintlich richtige Staatsführung ist daher nur die Wiederholung des Immergleichen, der Versuch, der Lage durch irgendwelche technokratischen Maßnahmen und neuesten Erkenntnissen Herr zu werden.


Das mit diesem Staat die Gefahr, die von der Pandemie oder der reaktionären Mitte dieser Gesellschaft ausgeht, nicht zu bekämpfen ist, dass wussten viele der Antifaschist*innen, die mit uns an diesem Tag auf der Straße waren, um den Querdenker*innen keinen Meter zu geben. Die massive Präsenz der Staatsmacht bekamen daher auch wir zu spüren. Blödsinnige Schikanen, Durchsuchungen, Machogelaber von Robocops, jede menge Schläge und zahlreiche Ingewahrsamnamen und Strafanzeigen waren das Ergebnis des Tages. Doch zuhause bleiben ist auch dann keine Alternative, wenn der reaktionäre Mob marschieren will. Zwar müssen wir in der Pandemie unsere Aktionsformen anpassen und noch mehr als sonst auf uns und andere aufpassen. Aber die Ereignisse vom 5.12. zeigen in aller Deutlichkeit, was für eine antifaschistische Bewegung in der Pandemie notwendig ist.


Denn die Pandemie wird die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft nur weiter zuspitzen. Wie in jeder Krise werden sich reaktionäre Kräfte darum bemühen an Boden zu gewinnen. Sich diesen entgegenzustellen, egal ob Proteste verboten werden oder nicht, wird weiterhin wichtig sein. Diese reaktionären Kräfte sind nicht an grundlegenden und sozialen Lösungen der Krise interessiert; es geht ihnen mindestens um das bewahren nationaler Privilegien. Aus genau demselben Grund ist auch mit der vermeintlichen Solidarität der deutschen Mitte wenig anzufangen, da sie in erster Linie an unsere Vernunft, unsere sozialen Kontakte einzuschränken, appelliert, um uns im nächsten Satz selbstverständlich wieder zur Lohnarbeit oder in die Schulen zu schicken. Für sie gilt es solidarisch mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland zu sein und sie wird alle, die da nicht mitspielen wollen, mit Knüppel und Gesetz daran erinnern. Diese autoritäre Formierung, die in der Krise weiter voranschreitet, wird sich nicht nur in reaktionären Mobs zeigen, sondern auch in einer weiteren Zunahme von autoritären staatlichen Maßnahmen und Polizeigewalt. Dafür ist auch die anhaltende Repression in Bremen in Gestalt von Hausdurchsuchungen und Kriminalisierung linker Strukturen in den letzten Jahren ein Beispiel, ebenso wie das jüngst geleakte Papier des BKA, dass in Querdenken hauptsächlich eine zivilgesellschaftliche Bewegung zu erkennen vermag und die Gefahr vor allem in linken Gegendemonstrant*innen sieht. Oder auch die SPD geführte niedersächsische Landesregierung, die scheinbar nichts besseres zu tun hat, als ein Verbot “der Antifa” zu diskutieren. In Deutschland, so viel ist sicher, steht der Feind nach wie vor links. Und wie mörderisch diese autoritäre und patriarchale Gesellschaft ist, haben wir und viele andere Aktivist*innen in der jüngsten Vergangenheit immer wieder betonen müssen, wie zum Beispiel bei den Protesten gegen das europäische Grenzregime, oder gegen den terroristischen Anschlag in Hanau, gegen die zunehmende Gewalt gegen Frauen oder wegen des Mordes an Mohammed Idrissi durch die Bremer Polizei.


Für radikale Antifaschist*innen bedeutet all das, weiter unversöhnlich mit Staat, Nation und dem gesamten kapitalistischen Alltag zu sein. Es bedeutet solidarisch zu handeln in den Kämpfen gegen Nationalismus, Rassismus und eine Verwertungslogik, die Profite über Gesundheit und Menschenleben stellt. Immer wieder wird uns dabei die staatliche Repression treffen. Sie will uns vereinzeln und fertig machen. Gemeint sind wir allerdings immer als Bewegung, die es nicht nur wagt an die Überwindung dieser menschenverachtenden Zustände zu denken, sondern auch aktiv an ihrer Überwindung zu arbeiten.
Solidarisch gegen ihre Repression!
Antikapitalistisch gegen die Krise!