Bei unserer Veranstaltung am 2. November 2018 „Der Kampf ums Wohnen“ durften wir fast 80 Gäste begrüßen. Im Folgenden findet sich nun hier hier der Mitschnitt der Veranstaltung mit Karl-Heinz Roth und Herbert Thomsen:
Inhaltsverzeichnis
Der Mitschnitt:
Aus technischen Gründen haben wir leider unseren Beitrag zu dieser Veranstaltung nicht aufgenommen. Er findet sich deshalb noch einmal verschriftlicht hier:
Unser Beitrag:
Schön dass ihr hier seid, bei unserer Veranstaltung der „Kampf ums Wohnen“
Wir, die Basisgruppe Antifaschismus, beschäftigen uns seit vielen Jahren intensiv mit sozialen Kämpfen. Die Themen Wohnraum und Wohnungskämpfe haben und hatten dabei bei uns oft einen besonderen Stellenwert.
Die zunehmenden Schwierigkeiten mit denen Mieter*innen konfrontiert sind, betreffen auch in Bremen Tausende. Durch steigende Mieten und die Aufwertung ganzer Stadtviertel müssen die meisten erhebliche Einbußen ihres Einkommens hinnehmen bzw. der Geldmenge, die sie nach der Bezahlung der Miete noch zum Leben zur Verfügung haben.Der drohende Verlust der eigenen Wohnung oder der Wohnsituation im eigenen Stadtviertel bewegt viele Menschen und bringt sie in eine existenzielle Lebenssituation. Die Mieterhöhung, die Kündigung oder gar der Räumungstermin des Gerichtsvollziehers macht viele verzweifelt. Die Bedrohungslage führt aber auch dazu, dass Menschen sich, allein oder durch spontane Zusammenschlüsse im Familien-, Nachbarschafts und Freundeskreise gegen ihre Vermieter*innen zur Wehr setzen.
Da wir uns, zusammen mit der der Interventionistischen Linken, dem Bremer Erwerbslosenverband und weiteren Einzelpersonen seit einigen Monaten als „Bündnis Zwangsräumungen Verhindern“ auch praktisch einbringen in die Auseinandersetzung zwischen Mieter*innen auf der einen Seite und Vermieter*innen und dem Staat – vermittelt durch Gerichtsvollzieher*innen – auf der anderen Seite, wollten wir hier heute die Gelegenheit nutzen, einmal mit euch grundsätzlich über das Thema Wohnraum und Kämpfe um den städtischen Raum als sozialem Kampf, zu diskutieren.
Soziale Kämpfe sind Kämpfe um die eigene gesellschaftliche Positionierung. Beispiele hierfür sind Lohnkämpfe, Kämpfe um Wohnraum aber auch die praktische Wendung der Frage „Wer macht hier die Hausarbeit?“. Soziale Kämpfe finden immer statt, egal ob die Beteiligten sie bewusst führen oder nicht. Sie ergeben sich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen. Veranschaulichen lässt sich dies am Beispiel der typischen Auseinandersetzung, ob die Pause bei der Arbeit bezahlt wird, also Teil der Arbeitszeit ist, oder nicht. Isoliert betrachtet ist dieser Konflikt eher unbedeutend. Gleichzeitig drückt sich in ihm aber auch grundsätzlich das Verhältnis zwischen Kapital und (lebendiger) Arbeit aus.
Wir sind also selbst alle Teil von sozialen Auseinandersetzungen, auch wenn wir uns das nicht ausgesucht haben. Für das Thema „Wohnen“ heißt das, mit dem Kampf gegen die Mieterhöhung, gegen eine Kündigung oder auch nur um ein zu reparierendes Fenster, tragen wir zugleich auch immer die abstrakte Auseinandersetzung zwischen Vermieter*innen bzw. Eigentümer*innen und Mieter*innen, also die Eigentumsfrage, konkret aus.
Dass diese Kämpfe stattfinden, folgt aus der Art und Weise wie diese Gesellschaft eingerichtet ist. Daraus, dass sie bereits grundsätzlich widersprüchlich ist. Soziale Kämpfe selber bieten daher auch keine Perspektive über die kapitalistische Gesellschaft hinaus, sie sind „nur“ ihr Ausdruck. Im Gegenteil, der Konflikt kann auch durch die Befriedungsmechanismen der Demokratie und des Rechts – das werden wir auch am heutigen Abend noch hören – befriedend, integrativ und innovativ für diese Gesellschaft wirken.
Wie diese Befriedung funktioniert lässt sich am Beispiel der aktuellen Mieterhöhungen mit denen VONOVIA die Mietpreise in Bremen in die Höhe treibt, gut veranschaulichen. Das Unternehmen versucht mit der Umlegung von Modernisierungskosten auf die Mieter*innen die Marktpreise in Bremen gezielt in die Höhe zu treiben. Diese Strategie betrifft uns alle als Mieter*innen mittelbar, weil wir alle mit den Effekten steigender Mietpreise konfrontiert sind. Unmittelbar sind aber erstmal nur einzelne Mieter*innen betroffen. Sie stehen vor der Entscheidung endweder eine Mieterhöhung zu akzeptieren, sich eine neue billigere Wohnung, auf die man aber nur in abgeschiedener Lage hoffen darf, zu suchen. Oder sie setzen sich gegen die Mieterhöhung juristisch zur Wehr. Die Mieter*innen, die diesen Weg einschlagen, stehen aber individuell und vereinzelt vor den Gefahren und Unsicherheiten, die ein solches Verfahren vor Gericht mit sich bringt.
Im Beispiel der Mieterhöhungen der VONOVIA haben Einzelne, teilweise unterstützt von Mieter*inneninitiativen und Mieterschutzbünden, diesen Weg gewählt und waren damit auch erfolgreich. Diejenigen – und das sind wohl die meisten Betroffenen, die diesen Weg nicht wählen wollten oder wählen konnten, mussten die Mieterhöhungen annehmen oder ausziehen.
Erst wenn diese individuelle Auseinandersetzung für die Betroffenen keine zufrieden stellende Lösung darstellt und sie diesen Unmut auch politisch artikulieren, findet das Problem Eingang in die politische Sphäre. Wenn das Thema dann in die parlamentarische Diskussion eingeht ist die Frage jedoch schon ganz anders gestellt worden. Nicht um die Mieter*innen, ihre Interessen und die Eigentumsfrage geht es jetzt mehr, sondern um die „Kommune“, den „Standort“, mit seinen eigenen Interessen. In dessen Rechnung tauchen die Mieter*innen nur als eine Kostenstelle in der volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung auf.
Was wir damit sagen wollen ist, dass diese Gesellschaft zahlreiche Mechanismen bereit hält, gesellschaftlichen Konflikte in eine gezähmte, konformistische Form zu lenken. Unser Schluss hieraus ist, dass wir als radikale Linke lernen müssen, uns selbst als Teil dieser Auseinandersetzungen zu begreifen. D.h. in sozialen Kämpfen bewusst und organisiert aktiv zu werden, ohne dabei den Fehler zu machen, die Konflikte so zu bearbeiten, wie diese Gesellschaft es uns nahelegt: demokratisch und juristisch. Denn die Folgen hiervon wären ja, dass wir uns in unserer Betroffenheit vereinzeln und isolieren. Vielmehr müssen wir lernen die verschiedenen sozialen Kämpfe gesellschaftlich zusammen zu denken und bewusst, strategisch zu führen.
Heute würden wir gerne diese generellen Überlegungen zum Thema soziale Kämpfe auf den Bereich der Wohnraumkämpfe anzuwenden. Dafür freuen wir uns, als Einleitung für die Diskussion – die heute Abend sicher noch kein Ende finden wird – die Genossen Karl-Heinz Roth und Herbert Thomsen begrüßen zu können.
Karlo ist nicht nur Historiker und beschäftigt sich seit Jahrzehnten theoretisch mit sozialen Kämpfen. Er hat auch an den Wohnraumkämpfen der 70er und 80er Jahre teilgenommen, die durch die Häuserkämpfe auch ein zentrales Betätigungsfeld der radikalen Linken waren. Karlo wird eine historische Einordnung von gesellschaftlichen Kämpfen rund um Wohnraum „von unten“ geben – und daraus auf grundsätzliche Dinge für den revolutionären Kampf um den städtischen Boden heute schließen.
Herbert berät beim Bremer Erwerbslosenverband in Bremen-Nord und kennt daher nicht nur die alltäglichen Auseinandersetzungen v.a. mit dem Jobcenter. Herbert kennt auch die verschiedenen parlamentarisch-demokratischen Ansätze, den Problemen von Wohnungsnot, Verdrängung und steigende Mieten zu begegnen. Diese staatlichen und marktkonformen Ansätze, bei der der Begriff des „sozialen Wohnungsbaus“ eine zentrale Rolle spielt, wird Herbert am Beispiel der Bremer sozialdemokratischen Wohnungspolitik der jüngeren Bremer Geschichte, darstellen und kritisieren.
Zum zeitlichen Ablauf ist geplant, von den beiden Genossen kurze Inputs von ca. 20-25 Minuten zu hören. Im Anschluss würden wir gerne mit euch darüber reden, welche Erfahrungen ihr bei Konflikten mit Vermieter*innen und Stadtplaner*innen bisher machen konntet und welche Formen des Widerstands erfolgversprechend waren oder sind bzw. welche Ansätze und Forderungen aufgrund lieber unterlassen werden sollten.