Seit letzter Woche finden in Griechenland und Spanien landesweite Streiks und Demonstrationen statt, mit denen wir uns solidarisieren. Das sogenannte öffentliche Leben ist lahmgelegt, die beste Voraussetzung, um in gemeinsamen Aktionen und Gesprächen Ideen für eine befreite Gesellschaft zu entwickeln. In Deutschland hingegen übt man sich in Beschwichtigung, absurden Schuldzuweisungen (“die faulen Griechen”) und staatsgläubigen Phrasen: Ursache der Krise und verantwortlich für die Verarmungspolitik seien die Finanzmärkte und deren Profiteure. Würde man die nur an die Kandarre nehmen und ordentlich besteuern, dann hätte der Staat – juch-he! – wieder genug Kohle für Sozialleistungen und Konjunkturprogramme, um die sogenannte Realwirtschaft anzukurbeln. Noch heute soll helfen, was seit den Konjunkturprogrammen der 1930er Jahre Wirtschaftswunder bewirkte.
Verkannt wird dabei, dass der sogenannte Raubtierkapitalismus mit seinen “bösen” Finanzmärkten lediglich die Folge der in die Krise geratenen Realwirtschaft der 1980er Jahre ist. Mit staatlicher Hilfe entstanden entkoppelte Finanzmärkte, die einen Vorgriff auf zukünfige Einkommen ermöglichen, um die schwächelnde Realwirtschaft mit zusätzlicher Nachfrage zu versorgen und die Krise dadurch immer wider hinauszuschieben. Die Finanzblasen, das sollten die Fans von Konjunkturprogrammen einmal zur Kenntnis nehmen, kurbelten die Realwirtschaft in den letzten 20 Jahren in einem Maße an, wie es noch kein staatliches Konjunkturprogramm zu Wege gebracht hat. Gerade an der Immobilienblase in den USA und in Spanien, ihrem schließlichen Platzen und den verheerenden Folgen läßt sich dieser Zusammenhang exemplarisch nachvollziehen (ein Zusammenhang, der sich derzeit auch in der Türkei zusammenbraut). Die Finanzmärkte und -blasen, weit davon entfernt, das eigentliche Problem zu sein, zeigen symptomatisch an, dass unsere auf Gewinnmaximierung beruhende Wirtschaftsweise an eine innere Schranke stößt. Weil die computergestützten Produktivitätsfortschritte der letzten 30 Jahre die überbordende Warenmasse mit verschwindend wenig Arbeitseinsatz ermöglichen – die ökonomische Substanz trotz China-Hype weltweit also schrumpft –, sehen sich immer mehr Regionen, Länder und Bevölkerungsgruppen vom Kapitalkreislauf abgehängt, was sich für wenige Menschen als Hartz IV-Existenz äußert, für die meisten als Vertreibung (Myanmar), Bandenkriege (Syrien) oder Verhungern (Somalia).
Wer angesichts dieser Lage nichts weiter als “ein bisschen Arbeit”, Pardon: Jobs fordert, der hat entweder nicht erkannt, was uns die Stunde geschlagen hat, oder er hofft ekligerweise darauf, das es “uns in Deutschland” oder “uns in Europa” schon nicht so hart treffen wird. Solche Hoffnung ist erfreulicherweise vergeblich. Entweder wir schaffen die kapitalistische Weltmarktwirtschaft ab, oder sie wird uns abschaffen. Dass dem DGB hingegen nichts Besseres einfällt als eine Solidaritätsbotschaft an die “Kollegen in Südeuropa”, kann nicht überraschen, zählt er doch schon immer zu den Mitveranstaltern der hiesigen Niedriglohnpolitik, Sozialpartnerschaft und Standortsicherung. Widerstand tut not, und zwar nicht nur gegen die “unzumutbaren Belastungen für die Beschäftigten”, wie der DGB säuselt, sondern gegen ein Wirtschaftssystem, das die Menschen hin- und herschubst, mit Geld zuscheißt oder ins Nichts stößt, wie es dem Markt gefällt. Dagegen sollten wir anfangen uns zu organisieren und darüber nachzudenken, wie wir gemeinsam die Gesellschaft so verändern könnten, sodass ein gutes Leben für Alle möglich wird.
Offenes M31 Bremen Treffen:
21. November 2012, 20 Uhr,
„Sielwallhaus“, Sielwall 38, 28203 Bremen
M31 Bündnis Bremen: a gauche – offene linke Jugendgruppe Bremen, Arbeiterkommunistische Partei des Iran – Bremen, Basisgruppe Antifaschismus (BA) Bremen, Eine_r von Vielen, Freie ArbeiterInnen Union (FAU) Bremen, Industrial Workers of the World (IWW) Bremen