Am 12. Mai 2012 fand vor dem Einkaufszentrum „Waterfront“ in Bremen-Gröpelingen eine Kundgebung gegen eine in ihr stattfindende Leiharbeitsmesse statt. Wir hielten folgende Rede:
Liebe Besucherinnen und Besucher der Waterfront und der Leiharbeitsmesse, liebe Kolleginnen und Kollegen in den Geschäften der Waterfront, liebe Genossinnen und Genossen.
Die hier heute in der Waterfront stattfindende Leiharbeitsmesse ist nicht nur eine besonders ekelige Veranstaltung.
Ekelig ist sie, weil inmitten der Geschäfte in der Waterfront, in denen Kolleginnen und Kollegen zu bereits schon üblen Arbeitsbedingungen, geringen Löhnen, unbezahlten Überstunden und permanenter Erhöhung der Arbeitstaktung arbeiten müssen, Werbung für noch üblere und miesere Arbeitsverhältnisse gemacht wird, für noch unsichere und noch geringer bezahlte Arbeitsplätze.
Obwohl das bereits schon so bereits ungeheuerlich erscheint, die eine Schweinerei hier die Steigerung durch die andere erfährt, der eigentliche Skandal ist ein anderer.
Der eigentliche Skandal besteht darin, dass dies alles schon grundsätzlich nicht sein müsste! Nicht das die Arbeitsbedingungen für uns immer übler, die Löhne immer geringer, aber die Preise und Mieten immer höher werden, ist der eigentliche Punkt, obwohl dies für sich genommen schon ungeheuerlich ist. Sondern die Tatsache, dass wir überhaupt gezwungen sind uns einen Job zu suchen und gegen Geld arbeiten zu müssen um die Miete, Essen und all den anderen Krams den wir haben wollen, bezahlen zu können!
Lohnarbeit, also das wir unsere Arbeitskraft an ein Unternehmen für Lohn verkaufen, damit dieses damit Gewinn machen kann, das erscheint allgemein als natürlich. Ebenso normal ist es, dass wenn Leute Hunger haben, nicht einfach Lebensmittel hergestellt werden, damit der Hunger gestillt werden kann, sondern dass das Essen mit Geld, meistens vom Lohn, bezahlt werden muss. Das heißt, um beim Beispiel des Brotes zu bleiben, wir stellen erst bei einem Unternehmen, z. B. einer Bäckerei, gegen ein bisschen Lohn das Brot her, das dieses anschließend mit Gewinn wieder an uns verkauft und wir wieder mit unserem Lohn bezahlen müssen.
Wie unsinnig ist doch diese Gesellschaft!
Doch es kann noch schlimmer kommen als Arbeit zu haben, nämlich keine zu haben! Im Großteil der Welt bedeutet dies für die meisten Menschen den Tot, weil sie dann auch kein Geld haben um sich z. B. das oben genannte Brot zu kaufen. Hier bedeutet dies, dass der Staat uns ein paar Krumen gibt damit dies nicht passiert. Hartz 4 und ähnlich heißen dann diese milden Gaben. Dabei passiert all dieses nicht weil es z. B. zu wenig Brot gäbe, also Mangel herrsche – im Gegenteil. Von so ziemlich allem ist eigentlich genug da, wird sogar so viel hergestellt, dass ständig Unmengen weggeschmissen werden müssen. Die Geschichten über die Butter und Gurkenberge der EU, die regelmäßig vernichtet werden, während weltweit Leute verhungern, schaffen es ja manchmal sogar ins vorabendliche Fernsehprogramm.
Diesen ganzen Irrsinn, die Marktwirtschaft, gäbe es dabei nicht wenn es nicht den Staat gäbe. Dieser sichert durch sein Gewaltmonopol diese gesellschaftlichen Verhältnisse des Schuftens, der Ausbeutung durch Lohnarbeit und verpflichtet uns praktisch, mittels Recht und Gesetz auf sie. So hat alles seine Ordnung, die hier heute anwesende Polizei steht beispielhaft dafür.
Der eigentliche Skandal sind also nicht die Arbeitsverhältnisse der KollegInnen in der Waterfront, nicht die spärlich gefüllten Portmonees der hier Vorbeigehenden, ja nicht mal die Leiharbeitsmesse. Der Skandal sind bereits die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gänze und Normalität, der ganze marktwirtschaftliche Normalbetrieb!
Wir demonstrieren hier deshalb heute nicht nur gegen die Leiharbeitsmesse, es geht uns ums Ganze. Forderungen nach einer „fairen Leiharbeit“ wie sie von der IG Metall erhoben werden finden wir zynisch, sie kommen der Forderung nach verbesserten Haftbedingungen im Knast, ein bisschen längeren Hofgang, gleich. Wir wollen nicht nur höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten, wir wollen die ganze Marktwirtschaft, die gesamten kapitalistischen Verhältnisse nicht. Statt dem Schuften für Lohn, Markt und Standort wollen wir ein schönes Leben für alle – weltweit.
Eine befreite Gesellschaft ist aber nur jenseits von Staat und Nation, Kapital und Lohnarbeit zu haben. Weder sozialdemokratische Regulierungsmodelle, noch „real-sozialistische“ Verstaatlichungsvorstellungen bieten deshalb eine Perspektive. Sie stellen nur weitere Varianten der Elendsverwaltung dar.
Die einzigen Alternativen gegen die herrschenden Verhältnisse sind massenhafte Selbstorganisation und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die revolutionäre Umwälzung der bestehenden gesellschaftlichen Eigentumsverhältnisse. Allein die bewusste Aneignung aller gesellschaftlichen Bereiche in gemeinsamer Selbstverwaltung durch die Menschen bietet die Chance, soziale Revolution und kulturelle (Selbst-)Emanzipation durchzusetzen.
Für uns ist die allgemeine Perspektive eine kommunistische Gesellschaft, in der – mit Marxens Worten gesprochen – gilt:
„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
In diesem Sinne: Für den Kommunismus!