Am 18. März 2021 fand in Bremen anlässlich des Internationalen Tag der politischen Gefangenen eine Demonstration statt. Wir haben folgenden Redebeitrag gehalten:

Wir von der Basisgruppe Antifaschismus grüßen das what-the-fuck-Bündnis in Berlin:


1000 Kreuze – Eine Blockade. Feminismus ist kein Verbrechen!

Seit Ende letzten Jahres finden vor dem Amtsgericht Berlin die ersten Verfahren gegen feministische Aktivist*innen statt, die sich 2019 an einer Sitzblockade gegen den sogenannten „Marsch für das Leben“ in Berlin beteiligt haben. Bei diesem jährlich stattfindenden Marsch treffen sich, ähnlich wie bei anderen solcher Events wie zum Beispiel in München, Münster oder Annaberg-Buchholz, christliche FundamentalistInnen und andere AntifeministInnen. Das Event in Berlin ist dabei mit über 5000 TeilnehmerInnen das größte in Deutschland. Alle Teilnehmenden dort eint ein sexistisches, queer-, trans- und homofeindliches Menschenbild und ihre Forderungen nach einem vollständigen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, der Einschränkung vernünftiger Sexualaufklärung an Schulen sowie der Verteidigung einer zweigeschlechtlichen Norm.

Den über 100 angeklagten Genoss*innen wird in den Verfahren der Tatbestand der Nötigung vorgeworfen. Dem Berliner Bündnis „What the Fuck“ zufolge zeigt sich bei den bisher gesprochenen Urteilen eine unklare Rechtslage:

“Neben vielen Einstellungen mit der Auflage einer Geldstrafe zwischen 100€ und 600€ und wenigen Verurteilungen gab es auch eine Einstellung ohne Auflagen. Bisher gibt es drei Verurteilungen. Zwei davon, weil die Angeklagten die Auflagen zur Einstellung nicht akzeptierten. Sie gehen in Berufung, um juristisch klarzustellen, dass eine friedliche Sitzblockade nicht als Gewalt eingestuft werden kann. Die dritte Verurteilung wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gefällt. Der Richter sah den Tatbestand der Nötigung nicht vorliegen. Das liegt unter anderem daran, dass es unterschiedliche Auffassungen zum Tatbestand der Nötigung gibt. Besonders die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofes stößt bei vielen Anwält:innen auf Kritik. In der Berliner Praxis wird der Paragraph normalerweise nur bei sog. „schweren Vergehen“, zum Beispiel im Bereich der organisierten Kriminalität, angewandt.”

Auch wenn solche Fälle staatlicher Repression gegen unsere Genoss*innen alleine schon Grund genug sind, um wütend zu sein und uns solidarisch mit ihnen zu zeigen, geht es bei der Kriminalisierung feministischer Kämpfe unserer Meinung nach um so viel mehr. Sie steht im Zusammenhang mit weltweit erstarkenden oder bereits seit Jahren aktiven rechten und reaktionären Bewegungen, deren ideologischer Zusammenhalt der gemeinsame Antifeminismus ist. Auch wenn die christlichen FundamentalistInnen wie verrückte Freaks von gestern erscheinen: Ihre Reichweite ist groß. Ihre Geschichtsverfälschung mit Holocaustvergleichen, ihre autoritären Vorstellungen und ihr Antifeminismus machen sie anschlussfähig für völkische und rechte Personen und Gruppen, zum Beispiel die Identitäre Bewegung, Nazis und die AfD. Christliche FundamentalistInnen sind professionell in der Politik vernetzt und setzen auch hier ihre reaktionäre Agenda durch. Auch in Bremen, wo sie insbesondere durch evangelikale Abgeordnete über eine Homebase in der Bürgerschaft verfügen, gab und gibt es deswegen immer wieder Proteste gegen christliche FundamentalistInnen, wie zum Beispiel jüngst einmal mehr gegen die Martini-Gemeinde, die sich schützend vor ihren homophoben Pastor Olaf Latzel stellt. Und wie vor wenigen Tagen in einem Artikel im Weser Kurier deutlich wurde, ist in Bremen von Seiten der politischen Steigbügelhalter dieser christlichen Fundis, allen voran die CDU, die Jagd auf radikale Religionskritiker*innen eröffnet worden.

Widerstand gegen staatliche Repression und rechte Menschenverachtung ist deswegen eine Notwendigkeit. Gegen reaktionäre Bewegungen und religiösen Fundamentalismus ist uns jeder Protest, jede Blockade, erst einmal willkommen. Wer hingegen Schwangere vor Beratungsstellen und Kliniken unter Druck setzt und Ärzt*innen, die Abbrüche vornehmen, terrorisiert, wie es die christlichen Fundis immer wieder tun, braucht uns nicht zu erzählen, was Gewalt ist. Ganz im Gegenteil wird diese Gewalt meist als freie Ausübung der Religion verteidigt und durch Politik und das staatliche Gewaltmonopol in Schutz genommen. Um sogenannte gesellschaftliche Werte geht es ihnen dann… Also um genau den ideologischen Unsinn, der den staatlichen Eingriff in die reproduktiven Rechte, und damit das Fortbestehen der kapitalistisch-patriarchalen Verhältnisse legitimieren soll. Es ist diese patriarchale Gewalt, die Hand in Hand mit der staatlichen Gewalt geht, der wir unter anderem dann begegnen, wenn wir uns diesen beschissenen Verhältnissen entgegenstellen… Oder manchmal eben sitzend während einer Blockade, wie in Berlin.

Dass die derzeitigen Verfahren in Berlin und die Anordnung, diese als Einzelverfahren zu führen, ausgerechnet von einem Oberstaatsanwalt angeordnet wurden, bei dem im Sommer 2020 aufgedeckt wurde, dass dieser zusammen mit einem weiteren Staatsanwalt gezielt die Ermittlungen zur rassistischen Neuköllner Anschlagsserie behindern wollte, macht nur einmal mehr darauf aufmerksam, dass diese reaktionären, antifeministischen und rassistischen Ideologien im polizeilichen und juristischen Apparat der Bundesrepublik ein alltägliches Betätigungsfeld haben.

Unsere beste Waffe gegen die staatliche Repression ist und bleibt die Solidarität der Bewegung. Unterstützt die Genoss*innen bei den Verfahren in Berlin, informiert und beteiligt euch an den Protesten gegen die reaktionären Aufmärsche der christlichen FundamentalistInnen und organisiert euch gegen Patriarchat, Volk und Vaterland!

Solidarität mit allen von Repression betroffenen Genoss*innen. Reaktionären Bewegungen und religiösem Fundamentalismus das Handwerk legen. Feminismus ist kein Verbrechen!