Am 14. November 2014 fand auf dem Marktplatz in Bremen-Blumenthal eine antirassistische Kundgebung statt. Wir hielten folgenden Redebeitrag:

Für einen antikapitalistischen, politischen Antirassismus!

Liebe Nachbarn, liebe Freund*innen und Freunde, liebe Genoss*innen

Wieder einmal werden Menschen, die aus einem anderen Flecken dieser Welt kommen und es gewagt haben ihren Fuß auf deutschen Boden zu setzen ausgegrenzt, bedroht und mit Hasstiraden überzogen. Und wieder einmal ist der Ort des Geschehens der Bremer Norden. Dieser Form des Alltagsrassismus und Sozialchauvinismus, die als „Angst vor Ausländerkriminalität“ daher kommt, müssen wir entgegentreten. Und das leider nicht zum ersten Mal, wie an vielen anderen Orten auch: Deswegen stellt sich uns die Frage: wird uns auch in Zukunft jährlich das Murmeltier grüßen, und wir dazu gezwungen sein, der immer gleichen Ausgrenzungsrhetorik mit den immer gleichen nachträglichen Rettungsversuchen hinterher zu laufen? Wir hoffen, hier gemeinsam einen langfristigeren Umgang damit zu entwickeln zu können.
Für diese beschissene Lage, nicht nur hier in Blumenthal, gibt es einige Gründe.

Ein Grund 

ist, dass hier schon eine lange Zeit quer durch alle Parteien, im öffentlichen Leben und den lokalen Vereinen Menschen mit Einstellungen, die sich gegen sogenannte Ausländer*innen richten, das Wort haben. Peter Nowack, der gerade für die Durchsetzung der Senatsbeschlüsse angefeindet wird, gehört eigentlich selbst zu den Scharfmachern. „Sein Blumenthal“ hat er seit 2009 nicht von den Folgen der sozialen Verwüstungen befreien können, die die Wirtschaftsumbrüche der letzten Jahrzehnte – beispielsweise das Ende der Vulkan-Werft – angerichtet haben. Die Schuld für sein Scheitern dagegen hat er schnell und häufig bei Ausländer*innen gefunden. Seine Ausfälle gegen unsere Nachbarn in der Georeg-Albrecht-Straße, hier gleich um die Ecke, die haben wir nicht vergessen! Der Sportverein in Farge hat sich auch nie glaubwürdig von seinen gewaltbereiten Nazi-Fans distanziert. Diese bekommen dagegen aktuell regen Zuspruch, wenn sie sich vermeintlich unpolitisch gegen die Geflüchteten in der Rekumer Straße 12 stark machen. Noch vor der Alternative für Deutschland AfD wurden rechtspopulistische und sozialchauvinistische Positionen von den “Bürgern in Wut” an die Leute gebracht und organisiert. Damit blieben sie aber nicht allein, von CDU, FDP bis SPD fanden sie dafür oftmals inhaltlich breite Zustimmung und Unterstützung. Nun haben einige Anwohner*innen in Farge und Rekum ähnliche inhaltliche Schlüsse gezogen. Der Unterschied ist nur, dass die von ihnen gewählte Bühne für ihre Hetze in erster Linie nicht das Parlament ist.

Ein anderer Grund

lässt sich aus den Äußerungen verstehen, die im Bezug auf die Unterbringung in der Rekumer Straße 12 gemacht wurden: Angeblich harmlos kommt die immer wieder aufs neue vorgetragene und fast schon panische Angst vor den “kriminellen Gewalttätern” daher. Ob die Jugendlichen in der Rekumer Straße 12 morgens die Tür mal zu lange offen lassen, in eine Kneipe gehen oder – Rekum in Not! – im benachbarten Kindergarten Laub haken, das Urteil ist immer gleich: Wer vom Staat als Straftäter verurteilt wurde, ist nicht nur zeitlebens unfähig zur Veränderung, er wird sich auch zur Bedrohung des eigenen, kleinen Besitzstandes gemacht. Deshalb wird ständig nach einem starken Staat gerufen und gedroht, die kapitalistische Eigentumsordnung notfalls selbst mit Gewalt durchzusetzen. Man möchte eben sein Geld für sich behalten. Für sich behalten heißt hier: für ein enges kleinbürgerliches Familienmodell, in dem die Männer sich mit den Ellenbogen in der Arbeitswelt durchsetzen und die Frauen bitteschön für eine Entlastung im heimeligen Haushalt sorgen dürfen. Kein Wunder, dass hier eigentlich überkommene und reaktionäre Rollenvorstellungen Hand in Hand mit den rassistischen Einstellungen gehen. Denn alles soll an seinem rechten Platz sein. Und für Menschen aus anderen Ländern bedeutet das, dass es für sie keinen gibt.

Die rassistische und sozialchauvinistische Ausgrenzung ist also dadurch erklärbar, dass die Bürger*innen in Bremen-Nord für den sozialen Zusammenhang in dem sie eingegrenzt sind, Partei ergreifen: Den deutschen Staat und ihren Platz darin.
Für den deutschen Standort buckeln sie sich den Rücken krumm und fordern von allen Anderen ein ebensolches Verhalten. Wer das nicht will, soll erst gar nicht Teil “der Deutschen” werden. Denn solange sie bereit sind ihre alltäglichen Opfer zu erbringen, profitieren sie als deutsche Staatsbürger*innen vom Erfolg des eigenen Standortes auf dem Weltmarkt immer noch deutlich mehr im Vergleich, als die meisten anderen Menschen auf dieser Welt.

Dafür müssen sie von vielen Bedürfnissen absehen, die sie nur, wenn überhaupt, gegen Lohn und viel Arbeit oder buckeln auf dem Amt einlösen können. Anstatt sich aber nun zusammen zu tun für eine Welt, in der sie nicht durch das Privateigentum vom Genuss der gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen werden, suchen sie sich lieber Sündenböcke für ihr eigenes Elend.
Die Ausgrenzung der Anderen ist so nur eine Seite derselben Medaille, die mit Gewalt erzwungene Integration in die nationale Gemeinschaft, die andere.

Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass wir unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen immer wieder mit solchen rassistischen Einstellungen und Handlungen konfrontiert sein werden, da sie die Konsequenz der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsordnung sind.

Um hier, in Blumenthal, in Farge, in Rekum oder sonst wo nicht immer wieder aufs Neue auf die notwendigen, kurzfristigen Reaktionen zurückgeworfen zu werden und jedes Mal von Neuem zu beginnen, braucht es hier vor Ort Menschen, die der Wortführerschaft solcher Leute dauerhaft etwas entgegensetzen können. Deswegen wollen wir hier Menschen unterstützen, die sich sowohl gegen sozialchauvinistische und rassistische Ausgrenzung einsetzen möchten als auch der Welt der nationalen Grenzen und der Unterordnung unter die Zwänge kapitalistischen Gesellschaft eine praktische Absage erteilen wollen.

Wir wissen aus eigener Erfahrung: Ein einzelner politischer Zusammenhang ist dazu oft nicht in der Lage. Wir rufen daher auf, in den kommenden Monaten in Bremen-Nord Veranstaltungen, Treffen und andere Plattformen zu schaffen, auf denen Leute aus Bremen-Nord die Möglichkeit bekommen, sich unter solchen inhaltlichen Vorzeichen kennenzulernen und selbst eine dauerhafte Gegenwehr gegen diese Sorte nationaler und rassistischer Gedanken und Taten zu organisieren.

Für einen antikapitalistischen, politischen Antirassismus!
Für eine Welt ohne Ausgrenzung und Ausbeutung!