Mehr und länger arbeiten – das wünscht sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Damit meint er natürlich nicht sich und seine Kolleg*innen, sondern uns. Anlass seiner öffentlichen Sorgen ist, dass die wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland im Jahr 2023 durchschnittlich 34,3 Stunden betrug. Für ihn ist das eine Versündigung an der Nation.
Obwohl heute mehr Menschen arbeiten als vor 20 Jahren, würden sie insgesamt nicht wesentlich mehr arbeiten als damals. Deutschland brauche eine „Steigerung der Effizienz“. Dafür seien auch mehr Ganztagsschulen und Kitas nötig, damit noch mehr Arbeit möglich sei.
Der Grund für die Sorgen des Unternehmers: Der Weltmarkt bricht in seiner bisherigen Form auseinander, Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg wankt. In der Krise sollen wir aber nicht nur die Zeche zahlen – in Form von Preiserhöhungen, Sozialabbau und steigenden Mieten. Wir sollen den Karren auch wieder aus dem Dreck ziehen. Dabei bleibt der Schaden wie immer bei uns. Vom Mehr an Lohnarbeit erwarten Unternehmen und Staat jedoch nicht nur mehr Ausbeutung, Profite und Steuereinnahmen.
„Früher unterbrach Freizeit die Arbeit – heute ist es andersherum“, so ließ sich der Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete Röwekamp in der Zeitung zitieren. Wer hier die Schuld an Deutschlands mangelndem Erfolg trägt, wird damit klar: faule, arbeitsscheue Vaterlandsverräter*innen!
Migrant*innen waren die ersten Ziele der autoritären Transformation, des Rechtsrucks. Die sogenannten Leistungsschwachen – Faule, Erwerbslose, Alleinerziehende, Kranke, Arme – werden die nächsten sein. Die eigentlich richtige Forderung nach mehr Ganztagsschulen und Kitas verkehrt sich so zu einem Teil dieses kommenden sozialen Angriffs.
Dagegen helfen könnte ein solidarischer Antifaschismus. Einer, der den Rechtsruck als Ausdruck der autoritären Transformation der Gesellschaft in der Krise begreift. Der nicht „gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sondern solidarische Kämpfe um gemeinsame Verbesserungen dagegenhält. Ein Antifaschismus, der auch die Voraussetzungen des Rechtsrucks benennt. Denn gegen Rechts geht nur radikal: gegen Staat, Nation und Kapital!