Drei Monate ist es in etwa her, dass rechte Aktivist_innen um Sybill de Beur angefangen haben sich wöchentlich auf dem Marktplatz zu treffen. Angelehnt an eine bundesweite rechte Mobilisierung unter dem Motto „Kandel ist Überall“ versuchten die rechten Aktivist_innen, anfangs gemeinsam mit der AfD, ihrer rassistischen Hetze Gehör zu verschaffen. Den Höhepunkt der rechten Mobilisierung soll ein Bremer Frauenmarsch am 7.7. darstellen. An diesem Tag wollen die Rechten durchs Bremer Viertel ziehen. Auch wenn die wöchentlichen Kundgebungen, nicht zuletzt aufgrund der großen Gegenmobilisierung von antifaschistischen, feministischen und antirassistischen Aktivist_innen, zur Farce verkam, nehmen wir den geplanten Aufmarsch ernst. Seit Jahren beobachten wir eine Normalisierung rechter und faschistischer Tendenzen. Was vor einigen Jahren – nach langen emanzipatorischen Kämpfen – zumindest öffentlich nicht gesagt werden konnte, gilt mittlerweile wieder als salonfähig, wenn nicht sogar wahlentscheidend. Wenn es eine Lehre aus den letzten Jahren zu ziehen gilt, dann dass es immer noch schlimmer werden kann. Ein Blick über die Grenzen, beispielsweise nach Österreich oder Italien, bietet ein düsteres Bild aus der Zukunft. Dies ist unsere Ausgangslage und der Grund, weshalb wir uns jedem rechten Aufmarsch in den Weg zu stellen. Vehement & solidarisch!
Kandel ist überall, leider…
Die Instrumentalisierung eines Mordfalles für rassistische Hetze von rechten Aktivist_innen ist zwar besonders pietätlos, leider aber nichts Neues. Unter der Parole „Kandel ist Überall“ fordern rechte und rechtsradikale Aktivist_innen Schutz für weiße, deutsche Frauen* und Mädchen* vor sexualisierten Übergriffen und Gewalt. Es geht den Rechten aber nicht um universell gültige Rechte für Frauen* und Mädchen*. Es geht ihnen nicht um die alltägliche sexualisierte Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* in der Schule oder im Sportverein. Es geht nicht um die Dorfdisko oder das Schützenfest. Es geht nicht um die alltäglich Gewalt gegen Frauen und Mädchen in der Familie oder im Großbetrieb. Es geht nicht um die als „Familiendrama“ verharmlosten Morde an Frauen. Einzelne Morde und Gewaltfälle werden rassistisch umgedeutet und für eine politische Agenda instrumentalisiert. Kurzum: Den Rechten geht es nicht um eine grundlegende Kritik patriarchaler Herrschaft und Gewalt. Wer den Schutz von Mädchen* und Frauen* fordert, gesellschaftliche Emanzipationsprozesse jedoch als „Genderwahn“ diskreditiert, entlarvt sich letztendlich selbst. Es geht um ihren Rassismus und die Verdrängung des eigenen Sexismus.
Nationalistischer Feminismus?
Seit den sexuellen Übergriffen auf Frauen* während der sognannten „Kölner Sylvesternacht“ gaben sich plötzlich auch die größten Chauvinist_innen Arschlöcher als Feministen aus.
Ob Rocker, Hooligans, Zuhälter oder urkonservative bzw. reaktionäre Christ*innen und eben auch die AfD: Alle wollten sich plötzlich für den Schutz der weißen, deutschen cis-Frau einsetzen und diese vor dem Zugriff von als „triebgesteuert“ dargestellten „Migrantenmännern“ schützen. Dass das genannte Spektrum mit Feminismus nichts am Hut hat, wird unter anderem beim Blick ins AfD-Wahlprogramm klar. Hier wird eine patriarchale Rollenverteilung propagiert – „Der Mann zur Arbeit“ und „die Frau an den Herd“. Von Emanzipation keine Spur. Das selbe gilt, sobald über Themen wie bspw. sexuelle Selbstbestimmung berichtet wird. Kommentare auf entsprechenden Seiten in sozialen Netzwerken verdeutlichen eine ganz und gar nicht feministische Absicht. Alle eingangs genannten Gruppierungen machen feministische Akteur_innen und deren Kämpfe als ihre gemeinsamen Feindbilder aus, gegen die es sich zu verbünden lohnt. Verbunden im Kampf gegen emanzipatorische Bewegungen rücken politische Differenzen und Grabenkämpfe dann in den Hintergrund. Der antifeministische Backslash ist Bestandteil der nationalistisch grundierten autoritären Formierung der Gesellschaft, die wir derzeit erleben.
Unabhängig davon, ob Sybill de Beur einen Aufmarsch organisiert bekommt, der aus mehr als nur einer Handvoll Rechter besteht, sehen immer mehr Leute ihre Interessen durch eine rassistische und chauvinistische Politik vertreten. Die Anhänger_innenschaft rechter Parteien wächst auch in Bremen. Grund genug am 7. Juli für unseren Feminismus auf die Straße zu gehen – denn dieser ist antirassistisch und antinational!