Wir dokumentieren hier in Folge unseren Redebeitrag gehalten auf der Rosa&Karl Demo in Berlin am 13. Januar in Berlin. Für die Demonstration hatten wir mit einem eigenem Aufruf geworben.
Pressereaktion: Wochenzeitung Jungle World
Liebe Genoss*innen und Genossen, liebe Freund*innen und Freunde, liebe Zuhörende.
Jahr führ Jahr pilgert ein Haufen inhaltlicher Zombies nach Berlin, um ihren Propheten Liebknecht, Luxemburg und Lenin zu gedenken. Da werden Diktatoren und alte Dummheiten in die Welt zur Schau getragen.
Weltanschauliche Marxist*innen und Untergangspropheten, Parteifreund*innen und Staatsliebhaber*innen, Führungs-Phantasten, ‚Klassenwohltäter*innen‘ und erfolglose Nationalist*innen tummeln sich dann gemeinsam mit verirrten Autonomen um ein realsozialistisches Denkmal und stellen sich vor, sie wären gesellschaftlich relevant.
Mit diesem Karneval verkorkster Kritik, gruseligen Ideologien und gescheiterten Identitäten wollten und wollen wir nichts zu tun haben!
Wenn DAS irgendetwas mit uns und „unserer Geschichte“ als Kommunist*innen zu tun hat – dann, vorbei an den Leichen unserer von Kronstadt bis zum Tian’anmen-Platz ermordeten Genoss*innen, in dem Sinne, dass sie dem Ansinnen einer emanzipatorischen, revolutionären Umwälzung der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse objektiv im Wege stehen. Diese sind sogar selbst in Zeiten der Abwesenheit von sozialer Revolution konterrevolutionär. Zum Glück haben sich die Fans des Weltanschauungsmarxismus jedenfalls in der BRD inzwischen aber weitgehend selbst marginalisiert.
Zu unserem Erstaunen, aber auch zu unserer Freude, hat dieses Jahr nun das Bündnis „Rosa&Karl“ dazu aufgerufen, “eine emanzipatorische Alternative zur traditionellen LL-Demonstration” zu initiieren. Dabei distanziert sich das Bündnis ausdrücklich vom Traditionsmarxismus und anderen Formen autoritärer Kommunismusrezeptionen und möchte ein Gedenken organisieren das den ‚Ideen der großen RevolutionärInnen‘ – so schreiben sie – auch wirklich gerecht wird.
Neben vielen positiven Punkten wie z.B. überhaupt schon mal der Existenz dieser Demo, gibt es aber mindestens zwei Punkte, die wir inhaltlich nicht teilen:
Erstens hat weder das eingestandene so genannte„Wissen um die spannungsgeladene Geschichte ihrer Partei“, – gemeint ist hier die SPD, noch die Mahnung zur „schonungslosen Selbstreflexion“ offenbar zu einem wirklichen Verständnis über den Inhalt und Charakter der Sozialdemokratie im Bündnis geführt. Im Gegenteil, so verteidigen die Jusos, Teil sowohl des „Rosa&Karl-Bündnisses“ als auch der SPD, die Sozialdemokratie damit, man dürfe sie nicht auf „historische Versäumnisse“ reduzieren. Zwar „bedauern“ sie das „Reaktionäre im Wesen der Sozialdemokratie im Allgemeinen“. Konkret hindert sie das aber offenbar nicht an dem Fehler – weiterhin die Sozialdemokratie als ihr Mittel zur Überwindung des Kapitalismus – zu begreifen. Jetzt wäre es wohl einfach, diese Beharrlichkeit als Inkonsequenz abzutun.
Zutreffender aber ist wohl, dass sich die Jusos hier einen völlig falschen Begriff von bürgerlicher Demokratie und dem „Staat, Wirtschaft und eben auch der Partei“ machen. Denn sie wollen mit dieser Partei, in und mit dem Staat mühsam für soziale Umwälzungen kämpfen. Mindestens letzteres gilt dabei übrigens nicht nur für die Jusos:
Auch große Teile der Linksjugend-[’solid] und der Grünen Jugend machen sich ähnliche Illusionen über „ihre“ Partei.
Zweitens: Bei aller Berufung auf die großen Ideale und Absichten der Revolutionär*innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum einen und der Ablehnung all der Lenins, Trotzkis, Stalins und Co zum anderen, geht die inhaltliche Bestimmung kaum darüber hinaus, dass die einen Opfer und die anderen Täter irgendwelcher Verbrechen sind.
Statt einer wirklichen „Auseinandersetzung mit ihren Ideen“, ihrer Analyse, Kritik und politischen Praxis findet hier eine identitäre Konstruktion gemeinsamer Geschichte und zweier Heiligenbilder statt.
Wir rufen dazu auf, mit solch einer Variante von Gedenken zu brechen und statt dessen mit dem Denken zu beginnen!
Wenn wir also rufen: Nein, nein- dass ist nicht der Kommunismus! – dann nicht erst wegen der Greuel und des Elends der Gulags und Schauprozesse!
Die Trennlinien zwischen uns und den Veranstaltenden beider Gedenk-Demonstrationen verlaufen schon grundsätzlich am Inhalt ihrer Gesellschaftsanalysen und Kritiken.
Wer nämlich behauptet, der bürgerliche Staat, die Demokratie oder gar Parteien eignen sich als Instrumente grundsätzlicher, emanzipatorischer gesellschaftlicher Veränderung, der Abschaffung von Kapitalismus und Patriarchat, der Überwindung von gesellschaftlich organisierter Herrschaft in ihrer Gänze, der liegt schlicht daneben!
Das Rosa&Karl Bündnis nimmt die Krise als Anlass, um festzustellen, dass so einiges in dieser Gesellschaft nicht so läuft, wie sie es eigentlich gerne hätten. Überall geht es Menschen mit und ohne Lohnarbeit scheiße. Überall zählen die Bedürfnisse und Interessen der Menschen immer nur so viel, wie sie auch dafür zahlen können. Warum? Weil das, was sie dafür brauchen immer schon Eigentum von anderen ist. Mittels seines Gewaltmonopols setzt der Staat dieses Eigentum gesellschaftlich durch und gewährleistet es. Mittels Recht und Gesetz verpflichtet er so all seine Insass*innen auf das Privateigentum als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen. Dies gewährleistet und konstituiert so immer wieder aufs Neue die Existenz zweier gesellschaftlicher Klassen: Die eine verfügt über Privateigentum (und damit potentiell Kapital), die andere nicht – und besitzt deshalb nur ihre eigene Arbeitskraft. Beide sind damit aufeinander angewiesen:
Die zu Lohnarbeit gezwungenen sichern über ihren Lohn ihre Existenz und erzeugen mittels ihrer Arbeitskraft und dem eingesetzten Kapital Mehrwert und damit perspektivisch Profit. Diesen Mehrwert eignet sich die Eigentumsbesitzende Klasse an, was wiederum ihre Existenzbedingung ist.
Diese Klassengesellschaft finden nun aber verrückterweise nicht nur Staat und Kapital ganz super, sondern auch ganz viele, die eigentlich allen Grund wegen ihrer Stellung in dieser Gesellschaft dazu hätten, eine lang Liste an Gründen hätten, diese abzuschaffen. Statt nun aber Revolution zu machen, freuen sich viele aber auch noch über diese großartige „Freiheit“ und „Gleichheit“ im Kapitalismus: Also die Freiheit, selbst nach einem Unternehmen zu suchen, das einen ausbeuten kann, oder selber auszubeuten.
Eigentlich ist also die Erkenntnis, dass bereits grundsätzlich das Privateigentum an Produktionsmitteln, der bürgerliche Staat, seine Freiheit und Gleichheit, Lohnarbeit und Kapital, im Gegensatz zu den eigenen Interessen und Bedürfnissen stehen, nicht sonderlich tiefsinnig.
Sonderlich verbreitet ist sie aber nicht, anders als sozialdemokratische Ideologien wie die von der Reformierbarkeit des Kapitalismus.
Der reale Zweck sozialdemokratischen Handelns liegt aber stets in der Machtbeteiligung am bürgerlichen Staat und macht so auch noch den Bock zum Gärtner. Hier verpflichtet sich die sozialdemokratische Partei, unabhängig ob sie gerade SPD, die Grünen oder „Die Linke“ heißt, dem nationalen Wohl, denn dies ist die Bedingung demokratischer Machtbeteiligung. Die Sozialdemokratie teilt den Zweck des nationalen Wachstums als Bedingung für Wohlstand, ihr Anliegen ist dabei nur eine “gerechtere” Verteilung des erwirtschafteten Reichtums – flankiert von staatlichen Sozialleistungen. Der Staat wird dabei als Werkzeug und das Wachstum als Wohlstand verklärt.
Die Lohnarbeit und Hausarbeit als Bedingung dieses Reichtums sieht die Sozialdemokratie nicht als Problem, nicht als die eigentliche Ausbeutung ihres vermeintlichen Klientel, der Proletarisierten. Die Aufgabe, genau diese für einen reibungslosen Ablauf der Kapitalverwertung zu gewinnen und zu organisieren fällt der Sozialdemokratie zu.
Mit der Kritik an Eigentum, Lohnarbeit, Kapital, Staat und Nation- geschweige denn an demokratischer Zustimmung zur Herrschaft, hat das alles aber NICHTS zu tun!
Wem da der „Rückzug aus diesem politischen Raum“ immer noch „nicht sinnvoll oder wünschenswert“ erscheint- wie die Jusos und ihre Bündnispartner*innen ausdrücklich schreiben und ihn mit einer Niederlage gleichsetzen – hat nicht nur nichts verstanden, sondern rennt noch guten Gewissens in die völlig falsche Richtung und spielt dabei Revolutionär*in.
Nein, nein, DAS ist auch nicht der Kommunismus!
Wer jetzt aber losläuft und glaubt mittels einer kleiner Kaderpartei von „Berufsrevolutionärinnen“ Staat und Kapital in einem Putsch, verkleidet als Revolution, schlagen zu können, die*der liegt genauso daneben.
Eine kommunistische Kritik, die diesen Verhältnissen gerecht werden will, muss kategorial sein. Statt sich als Wohltäterin oder Führerin der Arbeiter*innenklasse aufzuspielen, ist eine praktische Kritik bereits an den Bedingungen und Grundvoraussetzungen der Klassengesellschaft an sich nötig. Wer glaubt diese und die massenhafte kollektive Selbstbefreiung der Proletarisierten von ihren Verhältnissen aber an eine Avantgarde delegieren zu können, wird das Gegenteil erhalten.
Anstelle der kollektiven Organisierung und Planung der Gesellschaft durch alle, tritt so ein neuer, bürokratischer Staat, anstelle der Abschaffung der Ausbeutung in Lohnarbeit und Hausarbeit zu Gunsten der Kapitalist*innen, die Ausbeutung in Lohnarbeit zu Gunsten des Staatskapitalismus. An Stelle der gesamtgesellschaftlichen Umwälzung und Abschaffung von gesellschaftlicher Herrschaft in ihrer Gänze wollen die meisten Traditionsmarxist*innen die Diktatur des Proletariats im Leninschen Sinne, die Diktatur der allmächtigen Partei über die Gesellschaft und gegen die Menschen.
Nur die massenweise Selbstorganisierung und bewusste Aneignung aller gesellschaftlichen Bereiche in gemeinsamer Selbstverwaltung durch die Menschen bietet die Chance, soziale Revolution und kulturelle (Selbst-)Emanzipation durchzusetzen.
Deshalb: Wer erkannt hat, dass sie*er mit ihren Bedürfnissen unter der Herrschaft des Kapitals immer nur soweit kommt, wie es dem Kapital nutzt, sollte aufhören sich konstruktiv Gedanken über dieses zu machen, sondern endlich die Verhältnisse umwälzen, die sie unterdrücken!
Staat, Nation, Kapital, Scheiße!
Das Angreifen des falschen Bewusstseins, welches sich Menschen von dieser Gesellschaft und ihren Einrichtungen machen, ist dabei ein erster Schritt. Nicht um sich unbedingt identitär abgrenzen, sondern in der Hoffnung auch praktisch etwas dazu beizutragen, dass „Kommunismus“ keine abstrakte Tagträumerei oder gar eine Horrorversion bleibt, sondern endlich das Konkrete wird. Um das noch konkreter zu machen und um das obligatorische Pflichtzitat von Marx hier noch unterzubringen:
„Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.“
In diesem Sinne: Für den Kommunismus!
Den Redebeitrag als Mitschnitt: