Sarrazin halt’s Maul! 
Gegen Rassismus und Klassenkampf von Oben

Am 10. Dezember lädt die Havanna Lounge Bremen das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin zu einer Lesung ein. Die Havanna Lounge bezeichnet sich selbst als „Wirtschafts- und Gesellschaftsclub“. Die Clubräume befinden sich eine halbe Gehminute vom Rathaus und der Bremischen Bürgerschaft entfernt. 700 Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von je 1000€ um in Sichtweite des Doms Zigarren zu rauchen und „Kontakte mit Entscheider*innen aus Bremen und der Nordwestregion“ zu knüpfen. Mit von der Partie sind Rechtsanwält*innen, Notar*innen, Makler*innen für Transportversicherungen, Logistik- und Bau-Unternehmer*innen, Hafenwirtschaft und Technologieberater*innen, selbsternannte „Think Tanks“, der Golf Club Syke, Sparkasse, OHB, Volksbank, Werder Bremen und viele Andere. Das heißt, hier kuscheln Wirtschaftsgrößen, „Entscheider*innen“ und bürgerliche Vorstandsmitglieder gesellschaftlich relevanter Institutionen miteinander.

Die Grenze verläuft nicht zwischen den Kulturen, sondern zwischen Antifa und Havanna Lounge

Sarrazin – der ehemalige Berliner Finanzsenator und spätere Vorstand der deutschen Bundesbank – schaffte es 2010 mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ die Debatte um Migration, Bildung und Teilhabe nachhaltig nach rechts zu verschieben. In seinen Veröffentlichungen formulierte er völkisch-rassistische Thesen über den Zusammenhang von vermeintlicher Herkunft, Genen und Bildungschancen von Migrant*innen. Er bezieht sich dabei auf rassistische Biologen und Eugeniker des frühen 20. Jahrhunderts. Neben seinen rassistischen Ausführungen geht es Sarrazin im Kern darum, Menschen nach einer strikt ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnung zu kategorisieren und die vermeintlich Leistungsunwilligen und Leistungsunfähigen von der Teilhabe an Rechten und Ressourcen noch weiter auszuschließen.
In den Folgejahren wurde Sarrazin zum lautstarken Wegbereiter neurechter Diskurse und half dabei ein Klima zu schaffen, in dem Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und extrem rechte Wahlerfolge zur Normalität wurden. Er machte es sich im Milieu der neuen Rechten bequem. So redete er u.a. auf der Compact-Konferenz 2013 in Leipzig und gehörte Anfang 2018 zu den Erstunterzeichnern einer AfD-nahen und nationalistischen „Gemeinsamen Erklärung 2018“, in welcher vor einer angeblichen „Beschädigung Deutschlands durch Masseneinwanderung“ schwadroniert wurde. Im Sommer des selben Jahres veröffentlichte er sein neues Buch „Feindliche Übernahme“, in welchem er sich zum Islamwissenschaftler aufschwingt, indem er glaubt erklären zu können, was der Islam ist. Der liberale Tagesspiegel bescheinigt in einer Rezension zu diesem Buch, dass er dabei unverändert „verletzend, grenz-rassistisch und manipulativ“ vorgeht. Während in der Öffentlichkeit vielfach behauptet wird, dass Rassismus ein Problem der Deklassierten sei, wird dies durch die Person Sarrazin widerlegt. Seine Einladung durch die Havanna Lounge zeigt: auch das Bremische Kapital phantasiert vom „Krieg der Kulturen“.

Havanna bleibt rot

Wir werten Sarrazins Auftritt als Angriff auf uns und unsere Klasse. Wo sich wirtschaftliche Interessen und rassistische Ausbeutungslegitimierungen vereinen, geht die autoritäre Formierung der Gesellschaft in großen Schritten voran. Dies kann auch anhand der AfD gezeigt werden: ein Blick auf Unterstützer*innen und Wähler*innen der Partei zeigt, dass die AfD von großen Teilen der Mittelschicht, von Kleinunternehmer*innen und Selbstständigen getragen wird. Und dies ganz im Gegensatz zum vielfach postulierten „kleinen“ Mann und wirtschaftlichen Verlierer, welche angeblich die Unterstützer*innen dieser Partei seien. Die wirtschaftsliberale Stoßrichtung der AfD, mit der einst Bernd Lucke die Partei ins Leben rief, wurde lediglich durch den völkischen Kurs der letzten Jahre ergänzt: im Wahlprogramm geht die Entrechtung von Migrant*innen einher mit Arbeitszwang und dem Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten.

Auch bei Sarrazin ist die Kombination aus wirtschaftlicher Elite und blankem Rassismus weder Zufall noch Widerspruch. Ganz im Gegenteil: hier passt Arsch auf Eimer. Für sein Publikum heißt dies: Wer eintausend Euro im Jahr für eine Clubmitglischaft zahlt und bei OHB Weltraumtechnik im Vorstand sitzt, kann sich am Feierabend Sarrazins Thesen über den Islam bei einem guten Glas Wein anhören und am nächsten Morgen wieder Leiharbeiter*innen gegen Stammbelegschaft ausspielen. 
Ob die Veranstaltung stattfindet oder die Herren „Entscheider“ noch einen Rückzieher machen – wir werden am 10. Dezember zeigen, dass wir uns nicht spalten lassen. Die Politik der Rassisten und Wirtschaftschauvis betrifft uns alle und verdient eine wütende Antwort.

Sarrazin halt’s Maul!
Havanna Lounge dicht machen!
Für einen klassenkämpferischen Antifaschismus!


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