Am 18. August 2015 fand in Bremen eine Demonstration unter dem Titel „Gegen Nazis und Repression!“ statt. Wir hielten folgenden Redebeitrag bzw. verteilten folgendes Flugblatt:

Für ein Ende der Gewalt!

„Wer kriminell ist, das bestimmt hier immer noch der Staat“ und warum wir das nicht ändern werden – und auch gar nicht wollen.

Seit dem 01. Juli sitzt unser Genosse Valentin in Untersuchungshaft. Ihm wird von Seiten der Justiz, der Polizei und der Medien vorgeworfen, am Rande des Nordderbys gegen den HSV im April gemeinsam mit weiteren Antifaschist*innen und Antifaschisten an gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Bremer Nazihools beteiligt gewesen zu sein. Von der darauf folgenden Repressionswelle im Zuge der polizeilichen Ermittlungen die Anfang Mai mit Hausdurchsuchungen begann, ist nicht nur Valentin betroffen. Auch gegen eine große Anzahl weiterer Linker wird ermittelt, während die Nazis, so scheint es, wieder einmal unbehelligt davon kommen. Die ein oder andere Blessur und der vermutlich immense Ehrverlust, gegen den politischen Feind den Kürzeren gezogen zu haben, mal ausgenommen. Und das, obwohl die Gewalt auch an diesem Tag wieder einmal von den Nazis ausging.
Die Stoßrichtung vieler Kritiken an dem Vorgehen der Behörden war dabei vorhersehbar. Es wird nach der Entkriminalisierung antifaschistischer Politik gerufen, Jusos und Grüne Jugend erklären die Arbeit von Polizei, Justiz und Innensenat zum Skandal und es wird ihnen attestiert auf dem “rechten Auge” blind zu sein.
Das repressive Vorgehen des Staates gegen Linke ist nichts neues: Vom KPD-Verbot und dem Polizei-Mord an Philipp Müller in den 50er Jahren über den Mord an Benno Ohnesorg 1967, dem Niederknüppeln der Streikbewegungen der 70er Jahre und Anti-AKW-Bewegungen der 80er, die in Teilen bis Heute reichenden Berufsverbote gegen Kommunist*innen und andere Linke – der Versuch einer vollständigen Aufzählung würde uns vermutlich den ganzen Tag kosten.
Hier in Bremen mussten wir uns in den letzten Jahren nicht in ständiger Solidaritäts- und Antirepressionsarbeit verlieren. Das könnte daran liegen, dass wir als Linke gerade gesellschaftlich schwach aufgestellt sind und deswegen dem Staat nicht so bedrohlich erscheinen. Vielleicht aber auch, weil es einen Unterschied macht, ob wie in Bremen eine rot-grüne Koalition das Staatspersonal stellt oder so wie in Bayern und Sachsen CSU bzw. CDU. Während letztere gleich zu Knüppel und Knast greifen, behilft sich Bremen da zuerst mit Lehrer*innen und Sozialarbeitenden. Das ist nicht weniger repressiv aber sozial nicht so auffällig und zudem kostengünstiger.

Dass der Staat immer wieder mit voller Härte gegen Menschen vorgeht, die sich aktiv dafür einsetzen, Nazis Räume zu nehmen – sei es im Stadion oder auf der Straße – ist kein Zufall und auch kein Skandal. Es wäre auch nicht anders wenn eine andere Partei den Innensenator stellen würde. Es ist das notwendige Handeln eines jeden Staates.
Dort wo Antifaschist*innen auf Nazis treffen und ihnen konsequent entgegengetreten, dort kommen sie früher oder später auch dem Staat in die Quere. Denn in dieser Gesellschaft ist es ausschließlich ihm und seinen Einrichtungen, wie der Polizei oder dem Militär, gestattet rechtmäßig Gewalt ausüben zu dürfen. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Wer sich dem widersetzt, das “Recht in seine eigenen Hände” nimmt, die oder der bekommt es mit Polizei und Justiz zu tun.
Dies gilt natürlich auch für antifaschistisches Handeln. Denn viele Mittel die wir für notwendig halten, bewegen sich nicht in einem rechtmäßigen Rahmen.
Das zeigt vor allem eines: Das die Gesetzbücher des Staates, die Frage ob etwas kriminell ist oder nicht, nicht der Maßstab sind, an dem wir unser Handeln politisch messen dürfen.

Es greift zu kurz dem Staat und seinen Einrichtungen vorzuwerfen, sie würden falsch arbeiten und sollten lieber die Rechten stärker bestrafen. Denn der Ruf nach einer härteren Verurteilung von Nazis birgt auch immer die Gefahr, den Staat, seine Strafen und die damit einhergehende Gewalt zu bejahen.
Der Staat und sein Gewaltmonopol ist nicht einfach eine neutrale Einrichtung zum Wohle aller. Die gesellschaftliche Ordnung die der Staat mit seiner Gewalt durchsetzt, ist eine Ordnung die fortlaufend Ausschlüsse produziert: Zum Beispiel vom gesellschaftlichen Reichtum in dem er das Eigentum durchsetzt und so uns in Ausbeutung durch Arbeit zwingt. Oder durch ungleiche Gesetze für Leute mit und ohne deutschen Pass oder auch durch Sanktionsdruck für Sozialleistungsbezieher*innen.

Wir kennen weder den genauen Wortlaut der Vorwürfe gegen die nun von Repression betroffenen Genoss*innen, noch wissen wir ob die Anschuldigungen zutreffen. Generell: Wenn sich Nazis entgegengestellt wird, die dabei vielleicht noch die eine oder andere Beule abbekommen und in Zukunft dafür weniger politisch aktiv sind, ihre Hetze weniger verbreiten und Leuten Schaden zufügen können, dann ist das richtig und nicht falsch!

Anstelle also zu versuchen der Staatsanwaltschaft und Polizei Fehler nachzuweisen oder den Innensenator um Milde anzubetteln, ist ein konsequenter Antifaschismus nötig, dem es ums Ganze geht und sich nicht moralisch um Recht und Gesetz schert. Diese Gesellschaft und ihre gewalttätige Eigentumsordnung, ihr Staat und sein Gewaltmonopol, sind dabei nicht unsere Verbündeten, sondern unsere Gegner*innen.
Solidarität mit den von Repression betroffenen Genoss*innen!
Für ein Ende der Gewalt!


Das Flugblatt als E-Paper lesen: