Aufruf für den 15. November 2014:
Der HoGeSa-Auftritt in Köln war nicht nur der größte, sondern auch einer der gefährlichsten Neonaziaufmärsche der letzten Jahre. Dort sammelten sich 4000 Aktivist*innen verschiedener Strömungen der rechten Szene gemeinsam mit rechten bis rechtsoffenen Fußballfans und Hooligans sowie Demonstrant*innen, die scheinbar keinem der genannten Spektren zuzurechnen sind. Gemeinsamer Nenner aller, die dem Aufruf „Hooligans gegen Salafisten“ folgten: Ein deutlich artikulierter Rassismus, der sich durch jahrelange Mainstream-Debatten um „Kultur“, „Islam in Deutschland“ und „Parallelgesellschaften“ nur bestätigt fühlte. Die aktuelle Debatte um den IS war nur der willkommenea Anlass, um offiziell gegen „Salafisten“ auf die Straße zu gehen – sowie der Wunsch, die von den antimuslimischen Rassist*innen imaginierte Gefahr durch „die Muslime“ mit Hilfe von Schlägern zu bekämpfen. Dass sich die Veranstaltung nämlich von Anfang an nicht gegen Salafisten, sondern ganz einfach gegen Migrant*innen und als solche Identifizierte richtete, zeigte spätestens der „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ skandierende Mob. Die verabredete Gewalt wurde eingehalten, der Aufmarsch immer aggressiver, Migrant*innen, Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen angegriffen und verletzt. Der Mob stellte eine reale Bedrohung für all diejenigen in der Kölner Innenstadt dar, die ihrem beschränkten Weltbild nicht entsprachen.
Inhaltsverzeichnis
Jeder Gesellschaft den Mob, den sie verdient
Außerhalb des HoGeSa-Milieus ist aber allen klar: Mit denen will man nichts zu tun haben. Bei HoGeSa handelt es sich jedoch keineswegs um ein Phänomen, das unabhängig vom Rest der Gesellschaft zu verstehen wäre, noch stellt es eine Randerscheinung dar. Es ist vielmehr so, dass sich die Schläger, die plötzlich den politischen Protest für sich entdeckt haben, durch rassistische Diskurse um Migration und Islamismus ermächtigt fühlen. HoGeSa will auf der Straße ausführen, was deutsche Innenpolitiker*innen und sonstige Dummschwätzer*innen diskursiv vorbereiten. Nur auf Grund einer weitgehend rassistischen Stimmung in Deutschland ist es den neonazistischen Strippenzieher*innen möglich, unter dem Label HoGeSa tausende „unpolitische Fußballfans“ mobilisieren zu können.
Jedem Innenminister den Mob, den er verdient
Gerade im Fahnenmeer der Zivilgesellschaft, die sich in Hannover gegen HoGeSa versammeln wird – und die bei den Solidaritätsdemonstrationen gegen den IS-Terror in Rojava bisher weitgehend durch Abwesenheit glänzte – gelingt die Selbstvergewisserung als „offene Gesellschaft“. Doch dabei gerät etwas Elementares aus dem Blick: der gesellschaftliche und institutionelle Rassismus, der sich von Lampedusa über die populäre Ablehnung von „Armutsmigration“ bis hin zur restriktiven Asylpolitik und Maßnahmen wie der aktuell erweiterten „Sichere Drittstaaten-Regelung“ erstreckt. Beispielhaft für diese Haltung ist der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, der kürzlich ganz im Sinne der Rassist*innen von HoGeSa behauptete, dass es nicht darum gehe „[…] Flüchtlinge aus dem Irak nach Deutschland zu holen, sondern dafür zu sorgen, dass sie im Land bleiben können.“ Und diese angesichts der Situation absurde Forderung damit begründete, dass es „[…] ein unerträglicher Triumph für die Terroristen als Feinde unserer Religion [wäre], wenn am Ende des Konflikts die Christen aus dem Irak vertrieben wären – kulturhistorisch und menschheitsgeschichtlich.“ Die Bundeskanzlerin setzte gleich noch einen drauf und behauptete, es sei „vielleicht noch weniger christlich, wenn wir zu viele [Flüchtlinge] aufnehmen und dann keinen Platz mehr finden für die, die wirklich verfolgt sind”. Die Verteidigung des Abendlandes und des Christentums ist eben Anliegen einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit und das ist das Problem. Der kapitalistisch-demokratische Normalbetrieb kümmert sich daher nun um die „gewaltbereiten Fußballfans“ und um eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, um der politisch legitimen „demokratischen Mitte“ gerecht zu werden, ohne sich dabei dem politischen Gehalt dieses Aufmarsches zu widmen.
So bildet HoGeSa die Negativfolie, vor der sich eine vermeintlich aufgeklärte Gesellschaft ihres Antirassismuses versichern kann, um weiterhin rassistischen Zustände aufrechtzuerhalten. Besonders fadenscheinig wird das mit dem bürgerlichen Sozialchauvinismus, der den Hools ernsthaft in erster Linie vorwirft, dass sie weder Anstand, Zähne noch Körperhygiene besitzen. Das ist kein Antirassismus, das ist Heuchelei.
Was ist zu tun?
Die Organisator*innen und Teilnehmer*innen von HoGeSa sind nur eine besonders öffentlichkeitswirksame Weiterentwicklung der rassistischen Normalität dieser Gesellschaft. Eine rassistische Normalität, die das Leben vieler Menschen viel mehr bedroht, als es alle gewaltbereiten Fussballfans der Welt jemals sein können.
Es ist purer Zynismus, wenn auf einer Kundgebung gegen Rassismus die Fahnen der Grünen neben denen des DGB wehen. HoGeSa ist aber eine große Gefahr für alle von ihnen als Muslim*innen Identifizierte, eine Gefahr, der wir uns entgegenstellen. Doch die Lüge von nationalen Schicksalsgemeinschaften und die Realität von mörderischen EU-Außengrenzen sind Katastrophen, die wir nicht vergessen dürfen und immer bekämpfen müssen. Zivilgesellschaft und Staat können und wollen diese rassistische Hetze nicht konsequent bekämpfen, deswegen heißt es für uns als radikale Linke: Alle nach Hannover!
Für einen antinationalen Antirassismus!
Fahrt mit uns nach Hannover!
Das kommunistische …ums Ganze!-Bündnis