Dresden, Februar 2010: Die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten jährt sich zum 65. Mal. Seit einem guten Jahrzehnt marschieren Faschist_innen zu diesem Anlass in der Stadt auf. Inzwischen ist das jährlichen „Gedenken“ einer der größten Aufmärsche in Europa: Letztes Jahr „gedachten“ über 7000 den deutschen Toten.
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Dresden ist mehr als nur ein traditionelles Stelldichein der Rechten. Das „Gedenken“ ist ein Schnittpunkt von bürgerlichem Geschichtsrevisionismus, in dem auch Deutschland unter „Hitlers Opfer“ eingeordnet wird, und faschistischer Ehrerbietung der Gefallenen an der Heimatfront. Die Umschreibung deutscher Geschichte vom Land der Täter_innen zum deutschen Opferkollektiv ist das verbindende Element, was Jahr für Jahr ein rechtsoffenes Bürgertum mit erklärten Nazis zusammenbringt.
Es stabilisiert einen Opfermythos, der sowohl Türöffner für Nazis in die bürgerliche Mehrheit, wie auch Legitimation deutscher Großmachtsphantasien im europäischen Kontext ist. In Dresden geht es nicht um die Trauer von Einzelnen an Einzelnen, sondern um die Inszenierung eines Trauerspektakels, durch das die deutsche Geschichte so zurechtgedacht wird, dass sie Teil des nachkriegsdeutschen Nationalmythos werden kann.
Bürgerliche ‚Aufarbeitung‘ funktioniert auch in eine andere Richtung: Die institutionalisierte Gedenkpolitik (zum Beispiel in Form von Holocaustmahnmal, Gedenkstunden im Bundestag) funktioniert als Rekonstruktion der deutschen Geschichte – als Inszenierung der BRD als „geläuterte Nation“. Die aufrechten Demokrat_innen haben sich ein neues Selbstbewusstsein erarbeitet und dürfen nun wieder als global player in Sachen Krieg und Ausbeutung mitmachen. Zum Umgang mit der NS-Vergangenheit gehört nicht nur die vermeintliche Lehre aus der
Täter_innenschuld, sondern auch die Hervorhebung deutscher „Opfer“ wie der toten Deutschen in Dresden, die aus dem Kontext von Holocaust und Vernichtungskrieg herausgelöst werden und damit eine Rehabilitierung erfahren. Die Geschichte der Opfer wird zugunsten der TäterInnen verdrängt.
Nazis und Bürger_innen gehören deswegen eigentlich beide bekämpft. Wir wollen nicht der militante Arm der Zivilgesellschaft gegen ihre eigenen
ekeligen Auswüchse sein. Wir wollen auch nicht mit ihr als homogene Masse durch die Bekämpfung des „Extremismus“ das deutsche Selbstbewusstsein legitimieren. In Dresden aber sind wir auf Grund des Kräfteverhältnisses zur Zeit weit davon entfernt diesen Anspruch erfolgreich einlösen zu können. Eine radikale Linke, die nicht selbstsuggestiv diesem bedauerlichen Befund ignorieren will, kommt nicht herum diesen zur Kenntnis zu nehmen und aus ihm Schlüsse für die eigene Praxis zu ziehen. In Dresden haben wir uns deshalb entschlossen gegen die Nazis auf die Straße zu gehen um die zivilgesellschaftliche Basisbanalitäten gegen diese zu verteidigen. Diese sind letztendlich mit auch Mindeststandards für linksradikale Politik.
Mit dieser Kritik konfrontieren wir die bürgerlichen Nazigegner_innen. Auch darum beteiligen wir uns an den Gegenaktivitäten gegen den
Naziaufmarsch, die dem bürgerlich-faschistischen Geschichtsrevisionismus den Schnittpunkt bürgerlichen und linksradikalen Engagements gegen Nationalismus entgegen stellen. Dies ist der richtige Ort für linksradikale Intervention, für Kritik, die Konsequenzen hat.
Wer von Auschwitz nicht reden will, soll von Dresden schweigen!