Im folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag bzw. unser Flugblatt gehalten bzw. verteilt auf der Kundgebung in Bremen anlässlich des bundesweiten Aktionstages „Antifa Teheran“2009 .
„Für uns gibt es viele gute Gründe die iranischen Protestbewegung zu unterstützen. Dabei ist egal, ob die iranische Präsidentschaftswahl gefälscht wurde oder nicht – das Problem ist das ganze islamistische Regime. Der bloße Austausch seiner Führung ist dabei sicher nicht die Lösung. Das iranische Regime bedeutet Verfolgung, Folter und Mord für jeden von der patriarchalen Gesetzgebung abweichenden Lebensstil, für jede politische und gewerkschaftliche Opposition. Die Rechtssprechung ist extrem diskriminierend gegenüber sämtlichen ethnischen und religiösen Minderheiten und allen, die anderer Meinung sind als das Regime.
Frauen müssen den Lebens- und Glaubensvorstellungen ihrer Väter und Männer entsprechen. Nur mit Zustimmung des Mannes dürfen sie arbeiten oder reisen. Durch fatale Konsequenzen bei geringsten Abweichungen von dieser Gesetzgebung wird versucht, den Islam gesellschaftspolitisch stabil zu halten.
Die iranische Gesellschaft ist totalitär. Durch seine Revolutionswächter kontrolliert das Regime direkt jede Institution und jeden Winkel der Gesellschaft. So setzt der Staat seine Ziele mit massiver Gewalt in der Bevölkerung durch.
Außerdem verfolgt der Iran eine aggressive Außenpolitik. Diese geht mit einem ständigen Antisemitismus einher, der maßgeblich zur Stabilität des politischen Islam beiträgt. Israel wird die Existenzberechtigung abgesprochen und mit der Vernichtung gedroht. Weltweit unterstützt die iranische Regierung reaktionäre Bewegungen, wie beispielsweise Hamas oder Hisbollah, die auch für die Durchsetzung einer fundamentalistischen religiösen Gesellschaftsordnung stehen.
Alles in Allem: Der Iran ist ein klerikal faschistischer Staat.
Durch seine kapitalistische und technologische Weiterentwicklung sowie durch die erfolgreiche Etablierung eines islamistischen Staatsapparates hat der Iran eine Schlüsselrolle für den gesamten politischen Islam und versorgt die ihm nahe stehenden Organisationen weltweit mit Infrastruktur und finanziellen Mitteln.
Die Ideologie des politischen Islam richtet sich gegen die als „westlich“ wahrgenommenen Ausprägungen der kapitalistischen Wirtschaft, kein bisschen jedoch gegen ihre Grundlagen.
Im Gegenteil: das Projekt des politischen Islam geht einher mit dem Entstehen des entwickelten Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft. Beide funktionieren effektiv miteinander. Das zeigt nicht nur die massive Repression gegen streikende Beschäftigte. Jeder selbstorganisierte Protest von Arbeiter_innen im Iran zieht massive polizeiliche und militärische Maßnahmen mit sich.
Der aktuelle Widerstand ist also notwendig und richtig.
Teilen der Oppositionsbewegung geht es zu allererst um bürgerliche Rechte und Freiheiten. Das ist für uns an sich schon unterstützenswert. Bürgerliche Rechte und Freiheiten können die Basis für darüber hinausgehende politische Proteste bilden. Unsere Ziele und die der linken Opposition im Iran gehen dennoch darüber hinaus.
Für eine kommunistische Perspektive bieten die breit getragenen Straßenproteste einen guten Anknüpfungspunkt. Der selbstorganisierte Widerstand setzt sich über das staatliche Gewaltmonopol praktisch bereits hinweg. Dadurch greift er die politische Hierarchie an und delegitimiert das herrschende System. Auf diese Weise werden nicht nur Forderungen nach staatlich garantierten Rechten, wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, laut.
Auch die Funktionen von Autoritäten und Gewaltapparaten, deren Handeln und die gesellschaftliche Organisation werden in Frage gestellt.
Unsere Aufgabe hier vor Ort muss die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit zu den iranischen Verhältnissen sein. Dabei ist die Zusammenarbeit mit iranischen Exil-Genoss_innen besonders wichtig – nicht nur um Informationen über die iranischen Verhältnisse bekannt zu machen.
Für uns ist diese Solidarität nämlich auch Ausdruck des gemeinsamen Kampfes gegen die gleichen gesellschaftlichen Ursachen von Ausbeutung und Herrschaft – im Iran, wie auch hier vor Ort. Damit soll der qualitative Unterschied zwischen den iranischen Verhältnissen und denen hier nicht relativiert werden. Die ihnen zu Grunde liegenden Prinzipien sind jedoch dieselben.
Und in genau diesem Zusammenhang verteidigen wir unseren emanzipatorischen Protest gegen Vereinnahmung durch bürgerliche oder reaktionäre Kräfte. Diese stellen ihre Hetze gegen angeblich „minderwertige“ Muslime rassistisch gewandt unter den Deckmantel von Islamkritik oder wollen den Iran als liberalen Wirtschaftspartner haben.
Auf Grundlage der selben kapitalistischen Profitlogik, aus der hier vor Ort Löhne weiter gedrückt und Entlassungen gerechtfertigt werden, wird auch Technologie, die der Aufrechterhaltung von Macht und Unterdrückung dient, an klerikal-faschistische Staaten wie den Iran verkauft.
In der Konsequenz heißt die Unterstützung der Revolten im Iran deshalb für uns:
Staat, Nation und Kapital praktisch wie theoretisch angreifen!“
Die Rede als Mitschnitt von der Kundgebung anhören: