Alles Yuppies außer Mutti?
Thesenpapier der BA für Agitare Bene am 5. Mai 2011 zum Thema „Gentrification“.
1) Die der bürgerlichen Gesellschaft zu Grunde liegenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse (re)produzieren stetig und immer wieder aufs Neue und in allen Bereichen Ungleichheitsverhältnisse. Dies gilt natürlich auch für die gesellschaftliche Reproduktionssphäre und damit auch für den Bereich des Wohnens, des „alltäglichen Lebens“.
2) Spätestens mit dem Beginn der Phase der sozial-liberalen Koalition (1969) gab es in der BRD massiv den Versuch mittels der Einwirkung staatlicher Mittel (Bsp.: Sozialer Wohnungsbau, ÖPNV, allgemein Stadtentwicklungspolitik) die Folgen dieser gesellschaftlichen Ungleichheiten abzufedern. Dies endete spätestens 1989/90. Der Wegfall der Systemkonkurrenz hatte sowohl einen verstärkten globalen Standortwettbewerb zur Folge als bedeutete auch auf der Ebene des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses die weitgehende gesellschaftliche Durchsetzung neoliberaler Ideologien. Die eh immer knappen Kassen des bürgerlichen Staates wurden so noch knapper bei gleichzeitig immer geringerer Bereitschaft des Staatspersonals diese zur Abfederung sozialer Ungleichheitsverhältnisse zu verwenden.
3) Diese Entwicklung, die sich auf der Erscheinungsebene verschärfenden sozialen Ungleichheitsverhältnisse, ist seit einigen Jahren nicht nur für den bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb interessant geworden, auch die radikale Linke beschäftigt sich verstärkt mit ihr. Beiden ist gemein, dass sie zur Beschreibung und Untersuchung den Begriff „Gentrification“ benutzen und meinen damit eine qualitativ neue Entwicklung in der Gesellschaft entdeckt zu haben. Die reine Abarbeitung an den sozialen und kulturellen Erscheinungsformen verdeckt aber den Blick auf die gesellschaftlichen Ursachen dieser: Den Normalbetrieb der kapitalistischen Verhältnisse.
4) Gegen die soziale Ungleichheit die der Begriff der „Gentrification“ zu beschreiben versucht, hilft nur die Abschaffung der gesellschaftlichen Verhältnisse dessen Ausdruck sie sind: Die kapitalistische Klassengesellschaft in ihrer Gänze. Die Kampfformen dagegen müssen diese Analyse reflektieren um erfolgreich sein zu können. Weder sozialdemokratische, staatliche Stadtpolitik noch individuelle Handlungen gegen „Yuppies“ und andere scheinbare Ausdrucksformen sich verschärfender sozialer Ungleichheitsverhältnisse können deshalb taugliche Mittel sein. Erfolgreicher könnten dagegen kollektive Aktionsformen wie Mieter_innenstreiks, Stadtteil-Selbstorganisationen, Hausbesetzungen und ähnliches sein, wenn sie nicht regressiv die herrschenden Verhältnisse affirmieren und gegen das Privateigentum als gesellschaftliches Verhältnis gerichtet sind.