Und immer wieder die gleiche Frage: Wer mit wem? (2012)

Ein Dauerbrenner – nicht nur in der radikalen Linken – ist die Frage des „Wer mit wem?“, also der der Bündnisse und Organisierung. Also wer spielt mit wem und aus welchem Grund sollte mensch sich überhaupt bundesweit und darüber hinaus organisieren? Einige Möglichkeiten und Überlegungen dazu von der Basisgruppe Antifaschismus aus Bremen [BA].
(Aus dem UG-Mag, Ausgabe Nr. 1.)

1. Die meisten Bündnisse, gerade wenn sie innerhalb der „Szene“ geschlossen werden, sind nur ein-Punkt-orientiert. Bewegung mehr schlecht als recht simulierend, hangelnd sich ein recht überschaubarer Kreis von Leuten von Kampagne zu Kampagne. Ist diese dann abgeschlossen, bleibt oft nicht mehr übrig als ein schales Gefühl wie am Morgen danach: Spätestens beim nächsten Bündnis sehen wir uns ja wieder. Das … ums Ganze! – Bündnis will, wenn nicht alles anders, dann doch es besser machen. Wie viel ist da wirklich dran?

… ums Ganze hat den Anspruch aus der Vergangenheit und ihren Fehlern zu lernen. Das ist zwar kein brüllend neuer Anspruch, aber einer an dem es gemessen werden kann.
Ein zentraler Fehler des großen Organisierungsversuchs der 90er Jahre, der Antifaschistischen Aktion / Bundesorganisation (AA/BO) war das die inhaltliche Klammer so groß war, dass der Anspruch sich erst zusammen zu tun und dann sich gemeinsam auf Inhalte zu verständigen, scheiterte. Das … ums Ganze-Bündnis versucht dies umzudrehen – allerdings ohne dabei vollkommen Handlungsunfähig zu sein. Verbindliche Organisierung benötigt eine fortschreitende inhaltliche Verdichtung möglichst vor, oder im Laufe, dieser. Sie ist überhaupt die Voraussetzung erst für eine (Anti-)Politik, die ihren Beitrag zur erfolgreichen revolutionären Überwindung der herrschenden Verhältnisse beitragen kann. Dies halten wir für den zentralen Punkt in der Arbeit von …ums Ganze Aus dieser inhaltlichen und organisatorischen Verbindlichkeit heraus ergibt sich eine Stärke die es ermöglicht auch Positionen die im aktuellen gesellschaftlichen Kräfteverhältnis, auch innerhalb der Linken, eher marginal sind, wie die der kategorialen Kritik von Staat, Nation und Kapital, wahrnehmbarer zu machen.
Um aber auch alle an diesem Organisierungsprozess Beteiligten, sowohl Gruppen mit vielen Personen als auch Gruppen mit wenigen, gleichermaßen einzubinden, ist es nötig diesen Prozess immer wieder aufs Neue mit einander zu reflektieren und auf die Tauglichkeit für die eigenen Ansprüche hin zu untersuchen.
Die in ihm entstehenden Hierarchien müssen in diesem Rahmen immer wieder transparent gemacht werden. Dies findet innerhalb von …ums Ganze! aber aktiv statt und hat bis jetzt zu einem guten Verhältnis geführt in dem alle ihre Fähigkeiten mit einbringen(können). Auch wenn „die Szene“ das manchmal anders sieht – auch die radikale Linke, egal wie herrschaftsfrei ihr Anspruch und Lebensgefühl sein mag, hat natürlich ihre informellen, Wissens- und Altershierachien, ihre Stars und Sternchen. Wenn mensch solche Tendenzen auf dem Schirm hat, lässt sich damit aber auch produktiv bzw. gegensteuernd umgehen.

2. Naja, das klingt jetzt zwar nicht schlecht, aber wirklich neu ist das alles nicht, oder? Was hab ich denn jetzt davon, wenn ich mir als Gruppe den Stress einer bundesweiten oder darüber hinaus gehenden Organisierung antue?

Die Möglichkeit Themenschwerpunkte zu setzen und diese mittels der weiter oben beschriebenen Möglichkeiten in die radikale Linke und in die Gesellschaft zu bringen. Ganz so wie es mit der Broschüre „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“ schon bisher geschehen ist. Und dies ist nur die publizistische Ebene. Die Mobilisierungen zu den Protesten gegen die Feierlichkeiten der deutschen Nation in Berlin
und Bremen, dem G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 und die beiden …ums Ganze! Kongresse sind Beispiele hierfür.
Bei alle dem lag der Schwerpunkt immer in dem Versuch auch der nicht-akademischen radikalen Linken unsere Inhalte, Analysen und Kritiken erfolgreich zu vermitteln
Die …ums Ganze! Aktivitäten und Kampagnen eröffnen auch neue Perspektiven für die Politarbeit vor Ort: Durch den überregionalen inhaltlichen Verweis und organisatorischen Bezugsrahmen, erfährt die lokale Arbeit so eine erhöhte Wirkungsmächtigkeit und wird aus ihrer (oftmals) Vereinzelung gerissen.

3. Aber interessiert das denn alles überhaupt jemanden? Wie relevant ist denn überhaupt das …ums Ganze!-Bündnis in der radikalen Linken?

Zugegebenermaßen: Das ist schwer einzuschätzen. Beobachtbar ist aber in jedem Fall, wie sich gerade im Antifa oder Post-Antifa Spektrum in den letzten Jahren verstärkt eine Auseinandersetzung um eine kategoriale Gesellschaftskritik stattfindet: Anstatt sich nur über die Zumutungen von Staat, Nation, Kapital und Lohnarbeit zu beschweren, werden sie selber in Frage gestellt. Innerhalb dieser Debatte ist …ums Ganze! glaube ich schon als relevanter und auch überregional die radikale Linke mitprägender Pol zunehmend in Erscheinung getreten. Die Kunst aber ist es, nicht nur die Kritik der Verhältnisse auf die Höhe der Zeit zu bringen, sondern diese auch massenwirksam organisatorisch verbindlich zu wenden, damit die Verhältnisse irgendwann materiell gestürzt werden können. Klar ist aber natürlich auch, das wir – im besten Fall – damit erst ganz am Anfang stehen.

4. Stichwort „ganz am Anfang“: Was würdet ihr in Zukunft in diesem Organisierungsprozess am allerliebsten vermeiden?

Vor allem, dass sich das Spannungsverhältnis bundesweite Aktionen und eigenständiger Praxis vor Ort nicht einseitig in …ums Ganze! Aktionen auflöst. Denn tatsächlich kann ja zu bestimmten Anlässen etwas vor Ort wichtiger sein als im Zusammenhang mit der aktuellen Kampagne von … ums Ganze!. Vermeiden würden wir außerdem gerne identitäre Abgrenzungen gegenüber oder von anderen linken Spektren.

5. …ums Ganze! in einem Satz:

Inhaltliche Verdichtung + Praxisanspruch ist die notwendige Voraussetzung zur Schaffung linker Wirkungsmächtigkeit – und zum Gelingen einer Revolution.