Keine Gewalt? Für ein ganz anderes Ganzes! (2008)

Am 20.1. hat das sog. „Bremer Bündnis Keine Gewalt“ eine Kundgebung beim Osterholzer Friedhof (Osterholzer Heerstr./Steinmetzenweg) durchführt. Dieses Bündnis bestand aus der Bremer NPD und anderen regionalen Nazigruppen. Die Kundgebung nahm Bezug auf den Tod des kleinen Kevin, dessen Vater sich im Krankenhaus Bremen Ost, unweit des Osterholzer Friedhofs, befindet. Folgendes Flugblatt haben wir auf der Gegendemo verteilt und als Rede verlesen:

Nazis demonstrieren heute als „Bremer Bündnis keine Gewalt“ wegen des Todes des 2 jährigen Kevin. Schon an ihrer Parole „Warum wollt ihr nicht kapieren – Kindermörder kann man nicht therapieren“ wird deutlich, warum Nazis keine Lösung für Gewalt in der Gesellschaft haben: Statt nach den Ursachen für Gewalttaten zu suchen und diese zu bekämpfen, setzen sie auf Repression, also auf die Bekämpfung von Gewalt durch Gewalt. Doch die Androhung harter Strafen verhindert keine Verbrechen.

In einer Gesellschaft, die durch Ausbeutung, Unterdrückung und Ausgrenzung einzelner wie sozialer Gruppen strukturell Gewalt produziert, wird es auch immer wieder zu tragischen Ausbrüchen von Gewalt kommen. Staatliche Gewalt in Form von Repression von „wegsperren“ bis Todesstrafe kann darauf reagieren und versuchen, diese Gewaltausbrüche zu kontrollieren – doch sie kann sie nicht abschaffen, weil sie die Ursachen nicht angeht.
Alle Menschen stehen im Kapitalismus mehr oder weniger ständig und direkt unter Zwang – das beginnt bei Leistungsdruck in Schule oder Studium, der Angst vor Erwerbslosigkeit oder Armut durch den Verlust des Jobs und endet bei manchen in der völligen Zerstörung der persönlichen und sozialen Existenz. Ob diese durch Stress im Job, Arbeitslosigkeit, Versagensängste oder Obdachlosigkeit eintritt: sie ist Folge eines Systems, das der Bereicherung einiger weniger auf Kosten der großen Mehrheit dient.

Außer dem Widerspruch zwischen Arm und Reich werden wir im Kapitalismus durch weitere Gewaltverhältnisse geprägt, sei es die ständige Unterdrückung von Frauen durch Männer, von Menschen ohne deutschen Pass oder ohne legalen Aufenthaltsstatus, Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderer sexueller Orientierung als der der Norm entsprechenden.

Ausbrüche individueller Gewalt, so tragisch und grausam sie auch sind, sind Produkte solcher Herrschaftsstrukturen. Damit wollen wir nichts entschuldigen oder bagatellisieren, sondern aufzeigen, woher Gewalt kommt – und wie man sie demzufolge bekämpfen kann.
Der gewaltsame Tod eines zweijährigens Kindes löst auch bei uns Trauer und Betroffenheit aus. Auch deshalb halten wir es für gefährlich, daraus falsche Schlüsse wie den Ruf nach härteren Strafen abzuleiten.

Wir treten für die Überwindung aller Gewaltverhältnisse ein und wollen eine Gesellschaft erstreiten, in der „die freie Entfaltung eines jeden die Bedingung für die freie Entfaltung aller ist“. *
Deshalb kämpfen wir gegen Rassismus, Faschismus und Krieg, gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung – für Solidarität, Emanzipation und ein ganz anderes Ganzes!

*Karl Marx u. Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest