Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.
Max Horkheimer (1939)
Wir, die Basisgruppe Antifaschismus, sind ein aktiver Teil der „Kampagne Ladenschluss“, weil wir es für richtig und wichtig halten, gegen den Laden „Sportsfreund“ aktiv zu sein und auf die Straße zu gehen. Er ist eine Schnittstelle für aktive Nazis, versorgt eine rechte Subkultur mit Nazi-Klamotten und spült darüber auch Geld in rechte Strukturen.
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Die Schließung des Ladens ist unser Ziel, aber kann nur ein Etappenerfolg sein. Unser Anspruch ist, das ätzende Thema „Faschismus“ grundlegend anzugehen. Wir wollen mit diesem Flugblatt deshalb einige, aus unserer Sicht wichtige, Themen ansprechen. Wir können vieles aber ausdrücklich nur „anreißen“ und laden Euch für eine vertiefende Debatte zu unserem offenen Treffen ein.
Theorie ist dabei für uns kein schicker Selbstzweck, sondern vorrangig ein Mittel, unsere politische Praxis zu bestimmen.

Gesellschaftliche Ursachen von Faschismus
Der alltägliche, tief in der Mitte der Gesellschaft verankerte Rassismus, Sexismus und Nationalismus, erfährt im Faschismus seine aggressive Zuspitzung. Es sind diese Teile des bürgerlich-patriarchalen Normalzustands, die faschistisches Bewusstsein und Verhalten als Radikalisierung des Alltagsbewusstseins immer wieder hervorbringen.
Die kapitalistische Produktionsweise findet in der Gesellschaft notwendig krisenhaft statt, bedroht sehr viele Menschen, in den akuten Krisen verstärkt, in ihrer materiellen Existenz und versetzt sie so in einen permanenten Angst-Aggressionszustand angesichts des wirtschaftlichen und sozialen Abstieg.
Auch nicht unmittelbar in ihrer Existenz bedrohte Menschen spüren den verstärkten Stress im Arbeitsalltag, die sinkenden Reallöhne, die längeren Wochen- und Lebensarbeitszeiten, die ungesicherten Rentenaussichten.
Die Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft sind für die allermeisten Menschen aufgebraucht.
Auch angesichts mangelnder linker Alternativen, wenden sich viele Menschen in ihrer, nicht selten prekären, Situation gerade nicht einer Kritik der gesellschaftlichen Ursachen zu. Sie lassen sich von Standortnationalismus, Nationalchauvinismus bis hin zu konservativ-rechten und faschistoiden Parolen gegen Ausländer_innen, Erwerbslose u.a. scheinbare Sündenböcke überzeugen.
Die Wut über ihre soziale Lage und damit auch ihr Protest- und Widerstandspotential verpufft so systemkompatibel am rechten Stammtisch oder bei der rechten „Protestwahl“.

Des Pudels Kern.
Das derzeit dominierende Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnis ist die bürgerliche Gesellschaft, d.h. die kapitalistische Wirtschaft, der bürgerliche Staat und der Klassenkampf.
Die kapitalistische Wirtschaft ist vorrangig gekennzeichnet durch die Trennung der Menschen von ihren Produktionsmitteln, dadurch der Entstehung der sozialen Klassen „Proletariat und Kapital“, der „im Tausch verschleierten“ Ausbeutung des Proletariats, der Kapitalkonkurrenz um die größten Profite und der daraus resultierenden Krisen.
Kernfunktion des bürgerlichen Staates – als ideeller Gesamtkapitalist – ist die permanente Aufrechterhaltung der bestehenden Produktions- und Besitzverhältnisse. Weiche Formen bürgerlicher Herrschaft sind dabei die „Klassenintegration“ z.B. der Gewerkschaftsapparate in den „Sozialstaat“ oder auch harte Formen offene Konterrevolution im faschistischen oder autoritären Staat gegen sozialistisch-kommunistisch-anarchistische Oppositionen. Alle Grautöne inbegriffen.
Diese Verhältnisse und Beziehungen waren und sind permanent umkämpft: „Klassenkampf“ bezeichnet zum einen das grundlegend gegensätzliche Verhältnis von „Kapital und Proletariat“ und konkret die Bewegungen der Klassen und ihrer gewerkschaftlichen oder verbandsmässigen oder politischen Organisierung zueinander, bzw. ihrer tagespoltischen oder auch grundlegenden Kämpfe.
Historisch sind der bürgerlichen Gesellschaft patriarchale und rassistische Ausbeutungs- und Herrschaftsstrukturen vorausgegangen, dann in ihr aufgegangen und so nach wie vor ein zentraler Baustein dieser.
Nach der „ursprünglichen“ Ausbeutung und Herrschaft des Menschen über die Natur, ist der einige Tausend Jahre alte Modelltyp von Ausbeutung und Herrschaft, der von Männern über Frauen.
Dies hatte immer mindestens zwei Dimensionen: materielle Ausbeutung und/auf Grundlage von kultureller/ideologischer Herrschaft: „Frauen“, „Neger“… „Andere/Fremde“ wurden zur Natur definiert und damit ausbeutbar und vernutzbar.
Dieses Modell hat sich über die Sklavenhalter_inengesellschaften, über die kolonialistischen Ausplünderungen u.a. bis heute erhalten.
Dass sich ausgebeutete und unterdrückte Schichten/Klassen gegeneinander ausspielen lassen, dass sich die verschiedenen Ausbeutungs-/Herrschaftsmodelle gegenseitig stabilisieren (lassen), ist auch heute noch konstitutiv.
Mit der Kulturindustrie, als Ort bürgerlicher Ideologie(re)produktion, ist eine neue Form und Qualität von Herrschaft angetreten: Die massenhafte Verinnerlichung des bestehenden Falschen.
Während ältere Herrschaftsverhältnisse vor allem auf Grundlage offener Repression funktionierten, hat sich heute eine weit effektivere Variante entwickelt: Die in den Menschen „verinnerlichte Konterrevolution“.
Zwar bleibt das staatliche Gewaltmonopol für die „Unbelehrbaren“ – und als allgemeine Drohkulisse im Hintergrund – präsent. Viel reibungsloser ist es aber, wenn (fast) alle Menschen fest davon überzeugt sind, dass es zu Ausbeutung, Krieg, Deutschland, etc. keine Alternative gibt, dass alles von Natur aus „ist-wie-es-ist“ oder zumindest, dass es das „bestmögliche-was-überhaupt-möglich-ist“ ist.

Und nun? Was tun?
Eine befreite Gesellschaft liegt nur jenseits von Staat und Nation, Kapital und Lohnarbeit. Weder sozialdemokratische Regulierungsmodelle, noch „real-sozialistische“ Verstaatlichungsvorstellungen bieten eine Perspektive, sondern stellen nur eine weitere Variante der Elendsverwaltung dar.
Massenhafte Selbstorganisation und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sind die einzigen Alternativen gegen die herrschenden Verhältnisse. Allein die bewusste Aneignung aller gesellschaftlichen Bereiche in gemeinsamer Selbstverwaltung durch die Menschen bietet die Chance, soziale Revolution und kulturelle (Selbst-)Emanzipation durchzusetzen.
Für uns ist die allgemeine Perspektive eine kommunistische Gesellschaft, in der gilt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ (Marx)

Zur Frage eines revolutionären Antifaschismus
Bürgerlicher Antifaschismus beschränkt sich in seiner konservativ-autoritären Variante auf erhöhte Repression gegen Nazis oder in seiner links-liberalen Spielart auf sozialpädagogische Projekte für diese. Beide können durch ihre innere Verstrickung in das gesellschaftliche System auch keinen anderen Standpunkt einnehmen, sind dadurch aber gleichermaßen hilflos und tatsächlich mehr Teil des Gesamtproblems, denn Teil der Lösung.
Linksradikaler Antifaschismus dagegen verkürzt sich allzu oft in reine Recherche-Arbeit, „Kampf um die Straße“ u.a. Anti-Nazi-Aktivitäten. Nicht selten trotz viel weitergehender Ansprüche.

Ernsthafter Antifaschismus muss mehr sein als Abwehrkampf.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Faschismus und bürgerlicher Gesellschaft.
Antifaschismus kann deshalb nur dann „Angriff“ werden, wenn er zur theoretischen und praktischen Kritik der bestehenden Verhältnisse durchschlägt. Für uns heißt das, Antifaschismus darf keine reine Teilbereichspolitik sein, sondern muss Teil allgemeiner antikapitalistischer Praxis und Organisierung sein.

Organisier‘ dich! Gegenmacht aufbauen.
Antifaschistische Praxis leidet heute nicht selten an fehlender Kontinuität, der Zufälligkeit der Praxis und mangelnder Verbindlichkeit.Ein revolutionärer Prozess dagegen kann kein zufälliger oder spontaner Akt sein, sondern setzt eine bewusste (Selbst-)Organisation voraus. Demokratisch-zentralistische und andere autoritäre Ansätze bieten dabei keine Perspektive, denn es müssen Gegenmachtstrukturen entwickelt werden, die in einem, Kampfform gegen das Alte, wie Keimform für das Neue sein können.

Deshalb:
Nicht nur den Laden dicht machen, sondern den gesamten Laden abschaffen!

Offenes Treffen der BA am 17.3. um 20 Uhr im Sielwallhaus, Sielwall 38